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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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klebrige Gefühl abspülen, das der Besuch bei den Struwers hinterlassen hatte. Jetzt wünschte er nur noch, nach Hause zu kommen, Erica zu umarmen und das pulsierende Leben zu fühlen, wenn er ihr die Hand auf den Bauch legte. Er mußte spüren, daß die Welt kein so böser und grausamer Ort war, wie man zuweilen glauben konnte. Es durfte einfach nicht so sein.
     
    5
     
    Sommer 1979
    Ihr war, als seien Monate vergangen. Aber sie wußte, daß es nicht so lange sein konnte. Dennoch wirkte jede Stunde hier unten in der Dunkelheit wie eine ganze Lebenszeit.
    Viel zuviel Zeit, um nachzugrübeln. Viel zuviel Zeit, um nachzufühlen, wie der Schmerz an jedem einzelnen Nerv riß. Zeit, um über all das nachzudenken, was sie verloren hatte. Oder verlieren würde. Jetzt wußte sie, daß sie nicht mehr von hier wegkam. Niemand konnte einem solchen Schmerz entfliehen. Dennoch hatte sie nie weichere Hände gespürt als die seinen. Keine Hände hatten sie je mit solcher Liebe gestreichelt, und das ließ sie nach dieser Berührung hungern. Nicht nach der entsetzlichen, der schmerzhaften, aber nach der weichen, die danach kam. Hätte sie eine solche Berührung früher erleben dürfen, wäre alles anders gewesen, das wußte sie jetzt. Das Gefühl, wenn er seine Hände über ihren Körper führte, war so rein, so unschuldig, daß es zu dem harten Kern in ihr vordrang, den zuvor niemand hatte erreichen können.
    In dieser Dunkelheit war er ihr ein und alles geworden. Kein Wort war gefallen, aber sie malte sich aus, wie seine Stimme wohl klingen würde. Väterlich, warm. Doch wenn der Schmerz kam, haßte sie ihn. Dann hätte sie ihn töten können. Wenn sie es nur vermocht hätte.
     
    Robert fand ihn draußen im Schuppen. Sie kannten einander so gut, und er wußte, daß sich Johan an diesen Ort zurückzog, wenn er über etwas nachgrübelte. Als er gesehen hatte, daß keiner im Haus war, ging er direkt in den Schuppen und fand, wie erwartet, seinen Bruder dort auf dem Boden sitzend, die Knie angezogen und die Arme fest um die Beine geschlungen.
    Sie waren so verschieden, daß Robert es zuweilen kaum glauben konnte, daß sie wirklich Brüder waren. Er persönlich war stolz darüber, daß er keine Minute seines Lebens vergeudet hatte, um über irgend etwas nachzudenken oder sich irgendwelche Konsequenzen vorzustellen. Er handelte, und danach sollte kommen, was wollte. Die Zukunft wird es zeigen, war sein Motto, es gab keinen Grund, über Dinge nachzugrübeln, die man nicht steuern konnte. Das Leben trickste einen so oder so ja doch aus, das war einfach der Gang der Dinge.
    Johan hingegen war viel zu tiefsinnig, und das tat ihm nicht gut. In äußerst seltenen Sekunden der Klarsicht verspürte Robert schmerzliches Bedauern, weil der jüngere Bruder sich entschieden hatte, ihm auf seiner schiefen Bahn zu folgen, aber andererseits war es vielleicht am besten so. Johan wäre sonst nur enttäuscht worden. Sie waren die Söhne von Johannes Hult, und es schien, als würde auf diesem ganzen verdammten Zweig der Familie ein Fluch liegen. Es gab nicht die geringste Chance, daß jemand von ihnen das schaffen könnte, was er sich vorgenommen hatte, warum es dann erst versuchen?
    Er würde es nicht einmal unter der Folter eingestehen, aber er liebte seinen Bruder mehr als alles andere auf der Welt, und es versetzte ihm einen Stich, als er Johans Silhouette im Halbdunkel des Schuppens erblickte. Der Bruder schien mit seinen Gedanken meilenweit weg zu sein, und eine Traurigkeit hatte ihn befallen, wie sie Robert von Zeit zu Zeit an ihm bemerkte. Es war, als würde Johans Sinn von Melancholie überschattet, die ihn für Wochen an einen dunklen, widerwärtigen Ort zwang. Den ganzen Sommer über hatte er nichts davon bemerkt, aber jetzt spürte er es förmlich körperlich, schon als er durch die Tür trat.
    »Johan?«
    Er bekam keine Antwort. Robert ging mit leichten Schritten tiefer in die Dunkelheit hinein. Er hockte sich neben seinen Bruder und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Johan, sitzt du wieder hier?«
    Sein Bruder nickte nur. Als Johan ihm das Gesicht zudrehte, sah Robert zu seiner Verwunderung, daß es vom Weinen ganz verschwollen war. Das war anders als sonst, wenn Johan die Schwermut packte. Sorge erfaßte ihn.
    »Was ist, Johan? Was ist passiert?«
    »Papa …«
    Der Rest des Satzes ging in Schluchzen unter, und Robert bemühte sich zu verstehen, was der Bruder sagte.
    »Was ist mit Papa, Johan?«
    Johan atmete ein paarmal tief durch,

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