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Der Prediger von Fjällbacka

Der Prediger von Fjällbacka

Titel: Der Prediger von Fjällbacka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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standen.
    Nachdem er um Hilfe gebeten hatte, fand Patrik endlich den Wohnwagen, den Melanie beschrieben hatte, und sah einen schlaksigen und extrem pickligen Burschen davor sitzen.
    Die Sonne schien Patrik direkt in die Augen, als er vor dem Burschen stehenblieb, und er mußte sie mit der Hand abschirmen. Die Sonnenbrille hatte er im Revier vergessen.
    »Grüß dich, ich komme von der Polizei. Ich habe mit Melanie dort drüben gesprochen, die sagte, du kennst Jenny Möller, stimmt das?«
    Der Junge nickte nur stumm. Patrik setzte sich neben ihm ins Gras und sah, daß der Bursche, im Unterschied zu der Teenager-Lolita ein paar Wagen weiter, aufrichtig besorgt aussah.
    »Ich heiße Patrik, und wie heißt du?«
    »Per.«
    Patrik hob die Augenbrauen, um zu verdeutlichen, daß er noch mehr erwartete.
    »Per Thorsson.« Er rupfte ungeduldig Grasbüschel aus der Erde und blickte starr auf das hinunter, was er da tat. Ohne Patrik anzusehen, sagte er: »Ich bin schuld, daß ihr was passiert ist.«
    »Wie meinst du das?« Patrik stutzte.
    »Wegen mir hat sie den Bus verpaßt. Wir haben uns hier jeden Sommer seit unserer Kindheit getroffen, und wir hatten immer unheimlich viel Spaß zusammen. Aber seit sie diese blöde Gans Melanie getroffen hat, war sie so verdammt fies geworden. Es hieß immer nur, Melanie hier und Melanie da und Melanie hat gesagt und so ‘n Scheiß. Früher konnte man mit Jenny über wichtige Sachen reden, die wirklich was bedeuteten, aber jetzt ging es nur um Schminke, Klamotten und so ’n Zeug, und sie traute sich nicht mal, Melanie zu erzählen, wenn sie mich treffen sollte, denn Melanie fand anscheinend, daß ich ziemlich öde war oder so.«
    Er rupfte in immer schnellerem Tempo Gras aus dem Boden. Neben ihm hatte sich bereits ein kahler Fleck gebildet, der mit jedem Büschel, das er herauszog, größer wurde. Der Geruch von Gegrilltem lag schwer über ihren Köpfen, drang in die Nasenlöcher und brachte Patriks Magen zum Knurren.
    »Mädchen in dem Alter sind so. Das geht vorbei, kannst du mir glauben. Dann werden sie wieder vernünftig.« Patrik lächelte, wurde aber wieder ernst. »Aber was meinst du damit, daß es deine Schuld ist? Weißt du, wo sie ist? Denn in dem Fall solltest du wissen, daß ihre Eltern mächtig beunruhigt sind …«
    Per fuchtelte abwehrend mit der Hand.
    »Ich habe keine Ahnung, wo sie ist, ich weiß nur, daß ihr irgendwie was passiert sein muß. Sie würde nie einfach so abhauen. Und weil sie trampen wollte .«
    »Trampen? Wohin denn? Wann ist sie getrampt?«
    »Genau deshalb bin ich ja schuld.« Per artikulierte sich übertrieben deutlich, als spräche er zu einem kleinen Kind. Er fuhr fort: »Ich fing an, mit ihr zu streiten, genau als sie losgehen wollte, um Melanie an der Bushaltestelle zu treffen. Ich war so verdammt sauer, weil sie nur dann mit mir zusammen sein wollte, wenn diese Scheiß-Melanie es nicht wußte, und ich griff mir Jenny, als sie hier vorbeiging, und habe ihr gesagt, was ich davon hielt. Sie wurde traurig, aber widersprach mir nicht, stand nur da und ließ es über sich ergehen. Nach einer Weile sagte sie nur, daß sie jetzt den Bus verpaßt hat und nun nach Fjällbacka trampen müßte. Dann ging sie.«
    Per hob den Blick von dem kahlen Grasfleck und schaute Patrik an. Seine Unterlippe zitterte leicht, und Patrik sah, daß er fieberhaft kämpfte, um sich die Demütigung zu ersparen, hier mitten unter all den Campern in Tränen auszubrechen.
    »Deshalb ist es meine Schuld. Hätte ich nicht angefangen, sie auszumeckern wegen etwas, das jetzt im nachhinein so verdammt sinnlos erscheint, hätte sie diesen Bus gekriegt, und dann wäre das nicht passiert. Sie ist beim Trampen an irgendeinen verdammten Psychopathen geraten, und das ist meine Schuld.«
    Die Stimme ging eine Oktave höher und sprang, typisch für den Stimmbruch, ins Falsett. Patrik schüttelte beharrlich den Kopf.
    »Das ist nicht deine Schuld. Und wir wissen auch gar nicht, ob was passiert ist. Das wollen wir ja herausbekommen. Wer weiß, vielleicht taucht sie ja jeden Augenblick wieder auf und hat nur irgendwelchen Unfug getrieben.«
    Er wollte beruhigend klingen, aber Patrik hörte selbst, wie falsch sich das anhörte. Er wußte, daß die Unruhe, die er in den Augen des Jungen sah, auch in seinen eigenen zu finden war. Nur etwa hundert Meter entfernt saßen die Eheleute Möller in ihrem Wohnwagen und warteten auf ihre Tochter. Er hatte das eisige Gefühl, daß Per recht hatte und sie

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