Der Prediger von Fjällbacka
denn, ich kann es nun mal nicht ändern, daß ich sie ziemlich öde fand. Es ist doch nicht meine Schuld, daß sie verschwunden ist. Sie hat sich bestimmt nur nach Karlstad, also nach Hause, verdrückt. Sie hat von einem Jungen geredet, den sie da kennt, und wenn sie ein bißchen Verstand im Kopf hatte, dann hat sie auf diesen verdammten Campingurlaub geschissen und ist zu dem zurück.«
»Du solltest so was nur wagen! Dieser Tobbe .«
Patrik sah sich gezwungen, den Streit zwischen Vater und Tochter zu unterbrechen, und fuchtelte vorsichtig mit der Hand, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Glücklicherweise verstummten sie.
»Du hast also keine Ahnung, warum sie nicht aufgetaucht ist?«
»Nein, keinen Schimmer.«
»Weißt du, ob sie hier auf dem Platz noch mit jemandem Kontakt hatte, dem sie sich vielleicht anvertraut haben könnte?«
Wie aus Versehen stieß Melanie mit ihrem nackten Bein an das des Polizisten, und sie genoß es, zu sehen, wie er zusammenzuckte. Männer waren so verdammt einfach gestrickt. Egal, wie alt sie waren, sie hatten nur eins im Kopf, und wenn man das wußte, konnte man sie dahin kriegen, wohin man wollte. Sie berührte sein Bein von neuem, und auf seiner Oberlippe zeigte sich leichter Schweiß. Allerdings war es hier im Wohnwagen auch ziemlich schwül.
Sie ließ ihn ein Weilchen auf die Antwort warten.
»Da war ein Junge, so ‘n blöder Typ, den sie hier anscheinend jeden Sommer getroffen hat, schon seit sie klein war. Verdammt öde, aber wie gesagt, sie war ja selber nicht gerade supercool, also kamen sie wohl gut miteinander aus.«
»Weißt du vielleicht, wie er heißt oder wo ich ihn finden kann?«
»Seine Eltern haben ihren Wohnwagen zwei Reihen weiter. Es ist der mit dem braun-weiß gestreiften Vorzelt und all den verdammten Geranientöpfen davor.«
Patrik bedankte sich für die Hilfe und preßte sich errötend wieder an Melanie vorbei.
Sie versuchte eine möglichst verführerische Position einzunehmen, als sie dem Polizeibeamten in der Türöffnung hinterherwinkte. Der Vater hatte wieder mit seinem Sermon angefangen, aber sie stellte sich taub. Er sagte ja doch nichts von Belang.
Verschwitzt, auch aus anderen Gründen als der drückenden Hitze, entfernte sich Patrik mit raschen Schritten. Es war eine Erleichterung, aus dem engen kleinen Raum zu dem Wagengewirr zurückzukehren. Er war sich wie ein Pädophiler vorgekommen, als ihm dieses junge Mädchen ihre kleinen Brüste entgegengestreckt hatte, und dann, als sie angefangen hatte, ihr Bein an seins zu pressen, hatte er nicht gewußt, was er tun sollte, so unangenehm war ihm die Sache gewesen. Sie hatte auch nicht gerade viel auf dem Leib gehabt. Ungefähr genausoviel Stoff wie ein Taschentuch, aber verteilt über dem ganzen Körper. Eine plötzliche Einsicht ließ ihn erkennen, daß in siebzehn Jahren vielleicht seine Tochter sich so anzog und nach älteren Männern schmachtete. Bei dem Gedanken schauderte ihn, und er hoffte mit einemmal, daß Erica einen Sohn in sich trug. Mit dem Verhalten von Jungen im Teenageralter kannte er sich wenigstens aus. Dieses Mädel hier war ihm wie ein Wesen aus dem All erschienen, mit der riesigen Menge Schminke und dem großen, baumelnden Schmuck. Auch der Ring in ihrem Nabel hatte ihm nicht entgehen können. Vielleicht war er langsam zu alt für solche Dinge, aber für ihn war so was keineswegs sexy. Vielmehr dachte er an die Infektionsgefahr und das Risiko, eine Narbe zurückzubehalten. Aber, wie gesagt, das hatte wohl mit dem Alter zu tun. Noch immer hatte er in guter Erinnerung, wie sehr ihn seine Mutter gescholten hatte, als er mit einem Ring im Ohr nach Hause gekommen war, und da war er schließlich schon neunzehn gewesen. Blitzschnell hatte er sich davon verabschieden müssen, und dabei war das schon das Kühnste gewesen, was er sich je herausgenommen hatte.
Er verirrte sich zwischen den Wagen, die Wand an Wand standen. Er persönlich konnte nicht verstehen, wie Leute ihren Urlaub freiwillig so dicht gedrängt wie die Heringe verbringen konnten. Rein intellektuell begriff er schon, daß das hier für viele zum Lebensstil geworden war und daß die Gemeinschaft mit anderen Campern, die jedes Jahr an denselben Ort zurückkehrten, die Verlockung ausmachte. Einige der Unterkünfte konnte man kaum noch Wohnwagen nennen, da sie mit Zelten in alle Richtungen ausgebaut waren und mehr an feste kleine Häuser erinnerten, die Jahr für Jahr dort standen, wo sie nun mal
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