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Der Preis der Ewigkeit

Der Preis der Ewigkeit

Titel: Der Preis der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimée Carter
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übers Haar zu streichen, während das Leuchten seiner Finger das Einzige war, das sie noch am Leben hielt. In jenen kostbaren Minuten alterte er um Jahrtausende.
    Schließlich, als die Sonne hinter dem Horizont verschwand, verlosch das Licht unter Walters Händen. Und dann war Ava fort.
    Die Welt hüllte sich in Schweigen. Selbst das Meer verstummte, und die violette Dämmerung verweilte weit länger am Himmel, als sie eigentlich sollte. Niemand sagte ein Wort. Niemand rührte sich. Niemand war bereit, aufzustehen und zu gehen, und gemeinsam klammerten wir uns an diesen ewigen Augenblick.
    Er hätte niemals enden sollen, doch der Rat konnte sich der Zeit nicht für immer entziehen. Irgendwann legte Henry mir die Hand auf den Rücken, und auch wenn er dabei sanft vorging, löste er meine Finger von Avas kalter Hand. Wie ein Messer fuhr die Trennung durch mich hindurch, doch es gab nichts, was ich tun konnte. Sie war tot.
    Walter räusperte sich und legte sanft ihren Kopf auf die Steine. Mit zitternden Knien erhob er sich und bemühte sich, die Schultern zu straffen und sich zu voller Größe aufzurichten, doch er war sichtlich geschwächt. „Auge um Auge“, sagte er. „Auf dass es nie wieder so weit kommt. Wirst du friedlich gehen, Vater?“
    „Nein“, entgegnete Kronos, doch bevor mein Zorn den letzten Rest an Überlebensinstinkt, der mir noch geblieben war, überrollen konnte, massierte Henry mir die Schultern. Unter seiner tröstenden Berührung verlosch das Brennen in mir.
    „Doch, das wirst du“, widersprach Rhea. „Es ist vorbei. Ich werde nicht zulassen, dass du diesen Kreislauf der Zerstörung fortführst. Sie haben uns eine der Unseren genommen, wir ihnen eine der Ihren. Damit ist es beendet.“
    Kronos’ Gestalt begann sich in schwarzen Nebel aufzulösen, doch sofort hüllte ihn ein weißes Licht ein und er grollte. „Lass mich gehen, Rhea.“
    „Das werde ich nicht tun“, entgegnete sie ruhig, aber entschlossen. „Genauso wenig wie der Rat. Dies ist jetzt ihre Welt, und du hast gezeigt, dass es für dich keinen Platz darin gibt. Ich werde die Frage unseres Sohnes nur einmal wiederholen: Wirst du friedlich gehen?“
    Schweigen breitete sich aus.
    „Dann lässt du mir keine andere Wahl“, erklärte Rhea und das Licht um Kronos herum wurde blendend hell. Ich wandte die Augen ab, als ich ihn aufschreien hörte, der erste echte Schmerzenslaut, den ich je von ihm vernommen hatte.
    Gut. Er hatte es verdient.
    „Hör auf! Ich werde … friedlich gehen“, presste er hervor und das Licht ließ nach.
    „Also gut. Mein Sohn?“, fragte Rhea, und Henry zögerte kurz, bevor er mich losließ.
    „Ich bin bald zurück“, versprach er und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel. „James, pass auf sie auf.“
    Als er aufstand, schloss James an seiner Stelle die Arme um mich und zum ersten Mal sah ich mich bewusst unter den Ratsmitgliedern um. Alle waren dort, selbst Ella und Theo. Alle außer …
    „Wo ist meine Mutter?“ Mir wich sämtliches Blut aus dem Gesicht, und von Neuem begann die Welt sich um mich zu drehen. „James, wo ist sie?“
    „Ihr geht’s gut“, beruhigte er mich hastig. „Versprochen. Sie ist bei Milo.“
    „Ich will sie sehen“, flüsterte ich und er nickte. Sanft strich er mir übers Haar, wie Walter es bei Ava getan hatte. Vielleicht dachte er, es würde helfen, doch die Leere in mir füllte sich nicht. Ich war mir nicht sicher, ob sie das je würde.
    Rhea berührte Kronos am Ellbogen und Henry nahm ihre Hand. Ein letztes Mal trafen sich unsere Blicke, und er nickte, bevor sie gemeinsam verschwanden – zweifellos zurück in den Tartaros. Ihn außer Sichtweite zu lassen, war das Letzte, was ich wollte, und eine vertraute Furcht bemächtigte sich meiner. Was, wenn irgendetwas schiefging und ich ihn nie wiedersehen würde?
    Bevor meine Angst sich in Panik verwandeln konnte, ergriff James mich beim Oberarm und half mir auf. Seine Wangen glänzten und mit dem Daumen strich ich ihm über die nasse Haut. „Es tut mir leid.“ Ich konnte es nicht oft genug sagen.
    James schüttelte den Kopf, stumm bewegte er die Lippen, als er nach Worten suchte. Ich umarmte ihn und fest drückte er mich an sich. Er brauchte mich genauso sehr wie ich ihn.
    „Komm“, flüsterte ich. „Lass uns nach Hause gehen.“
    Meine Mutter erwartete uns in ihrer Suite auf dem Olymp. Sachte schaukelte sie Milos Wiege. Eine tiefe Erleichterung durchflutete mich und kraftlos taumelte ich auf sie zu. Ich

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