Der Preis der Ewigkeit
entschuldigen. Jetzt bist du ja hier. Steh auf“, bat sie und James gehorchte und legte seine Hand in ihre. „Lasst uns allein miteinander reden.“
Sie gingen an mir vorbei, als wäre ich überhaupt nicht da. James schien wie in Trance und ich zögerte. Sollte ich ihnen folgen?
„Auch du, Demeters Tochter“, hingen Rheas Worte in der Luft und meine Füße setzten sich ganz von allein in Bewegung. In diesem Augenblick wäre ich ihr bis ans Ende der Welt und darüber hinaus gefolgt, hätte sie es von mir verlangt.
„Diese Namen benutzen wir nicht mehr“, sagte James, als ich in einen leichten Trab verfiel, um aufzuholen, bevor sie um eine Ecke bogen. Keins der Kinder kam hinterher, doch jeder, an dem wir vorbeigingen, starrte uns an. Wegen Rhea? Oder weil James und ich Fremde waren?
Es spielte keine Rolle. Rhea führte uns zu einer großen blauen Wellblechhütte, vor der ein Schild mit einem weißen Kreuz hing. Als wir eintraten, musste James sich bücken, um sich nicht den Kopf am Türrahmen zu stoßen. Drinnen war nicht die Kirche, mit der ich gerechnet hatte, sondern ein Krankenhaus.
Über zwei Dutzend Männer, Frauen und Kinder lagen auf Pritschen und notdürftig zusammengezimmerten Betten, die so dicht aneinandergereiht standen, dass die Ärzte und Krankenschwestern – zumindest nahm ich an, dass sie das waren – nicht dazwischentreten konnten. Stattdessen lag jeder Patient mit dem Kopf zum Gang und den Füßen zur Wand. Mehrere husteten, und einige sahen so zerbrechlich und dem Tode nah aus, dass ich mir ihre Gesichter einprägte. Würde ich sie in der Unterwelt wiedersehen? Hätte ich überhaupt die Möglichkeit, dorthin zurückzukehren, wenn Henry es nicht schaffte? Was würde dann mit den Toten geschehen?
Nein. So würde ich nicht einmal denken. Rhea würde uns helfen.
„Hier entlang“, sagte sie und wir gingen durch den schmalen Gang zu einer Tür am hinteren Ende. Ich erwartete ein Büro, stattdessen traten wir in einen dicht bewachsenen Garten, in dem alle möglichen mir unbekannten Blumen und Kräuter gediehen. Meine Mutter hätte sich Hals über Kopf in diesen Ort verliebt. „Also, warum seid ihr hier?“
„Du weißt, warum“, entgegnete James respektvoll und setzte sich auf eine Kiste, die offensichtlich als Bank gedacht war. „Kronos hat Athen in Schutt und Asche gelegt. Hera hat uns im Stich gelassen und sich ihm angeschlossen. Hades ist nur noch einen Atemzug davon entfernt, zu vergehen. Wir sind verzweifelt und brauchen deine Hilfe.“
Sorgsam begann Rhea, einen Busch mit winzigen weißen Blüten zu beschneiden. „Du weißt, wie ich zu Krieg stehe“, sagte sie. „Ich kann ihn in keinerlei Hinsicht unterstützen.“
„Bitte.“ James verzog das Gesicht. Sich gegen sie aufzulehnen, schmerzte ihn sichtlich. „Wenn du uns nicht hilfst, Kronos wieder in den Tartaros zu sperren, wird er die Menschheit vernichten und uns alle töten – wenn wir Glück haben. Wenn nicht, werden wir den Rest der Ewigkeit als seine Sklaven verbringen. Ohne Hera können wir ihn nicht besiegen.“
Ohne Erwiderung legte Rhea die Blüten, die sie abgeschnitten hatte, in einen Korb. Nach fast einer Minute ließ James die Schultern hängen, und ich wusste, dass es hoffnungslos war. Nicht einmal die drohende Auslöschung konnte Rhea überzeugen.
Finster sah ich sie an. Es war eine Sache, wenn man auf keiner Seite in einem Krieg kämpfen wollte – ich war auch nicht unbedingt heiß drauf, schreiend und säbelrasselnd auf ein Schlachtfeld zu stürmen. Aber hier ging es um etwas anderes. „Wir bitten dich nicht, zu kämpfen“, erklärte ich. „Wir bitten dich, uns zu helfen, weitere Todesopfer zu verhindern.“
„Ich kenne meinen Ehemann“, antwortete Rhea. „Würde ich mich von euch in den Streit hineinziehen lassen, wäre ich gezwungen zu kämpfen, und ich werde niemals einem Lebewesen Schaden zufügen, unabhängig von seinen Absichten. Das schließt auch Kronos mit ein.“
„Selbst wenn er Milliarden Menschen und fast den gesamten Rat tötet, um zu kriegen, was er will?“ Tief holte ich Luft und zwang mich, Ruhe zu bewahren. Wenn ich jetzt ausrastete, würde das niemandem helfen. „Mit Untätigkeit erreichst du gar nichts für den Frieden. Du verschließt bloß die Augen vor dem, was wirklich geschieht. Und ohne deine Unterstützung werden wir verlieren.“
James legte die Hand auf meine und drückte zu, eine stumme Warnung, doch ich löste mich von ihm. Wenn er nicht kämpfen wollte,
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