Der Preis der Ewigkeit
anfangen.“
Er drückte mir einen Kuss auf den Scheitel und schob seine Hand in meine. „Na, wenn du meinst. Also, was sagst du – sollen wir hier endlich mal verschwinden?“
Womit wir wieder beim Anfang waren. Ich seufzte. „Ich brauche deine Hilfe nicht, James. Ich komme schon allein zurecht. Ich hab das alles genau ausgetüftelt.“
„Ach, tatsächlich?“, entgegnete James und hob eine Augenbraue. „Dann erzähl mir mal, wie du vom Olymp runterkommen wolltest. Über die Treppe?“
Ich stutzte. „Geht das?“
„Das ist hier kein Led-Zeppelin-Song, Süße. Es gibt keine Treppe in den Himmel.“ Er wies auf den Sonnenuntergang zu unseren Füßen. „Im Moment hat Walter den Laden komplett abgeriegelt, und das heißt, es gibt nur einen Weg hier raus – indem man sich von einem Olympier eskortieren lässt. Bist du so weit?“
Misstrauisch beäugte ich ihn und suchte nach irgendwelchen Anzeichen, dass er gleich lossprinten und Walter alles verraten würde. Doch mir blieb nicht mehr viel Zeit, womit ich auch nicht mehr wirklich eine Wahl hatte. „Wenn ich dir das erlaube, schwörst du, dass du wirklich nur hilfst?“
„Hoch und heilig, nur nicht das mit den Indianern.“ Wie schaffte er es, mich selbst im schwierigsten Moment meines Lebens noch zum Lächeln zu bringen?
Weil er James war und weil ich mich in ihn hätte verlieben können, hätte ich nicht bereits Henry geliebt. Und ich würde meinen Mann niemals betrügen. Das wusste James, das wusste ich – der Einzige, dem das nicht klar war, war Henry.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mundwinkel, etwas länger als unbedingt nötig. „Die erste Affäre, versprochen“, flüsterte ich. „Jetzt lass uns endlich loslegen.“
James grinste. „Ich dachte schon, du würdest nie fragen.“
James und ich landeten mitten auf der hektischsten Kreuzung, die ich je gesehen hatte. Hunderte Menschen strömten gemeinsam in die unterschiedlichsten Richtungen, Wege schnitten und kreuzten sich wie im echten Verkehr. Ich hob den Blick, in der Hoffnung, mich orientieren zu können. Rosa und violette Wolken zierten den Himmel, der hinter dem dichten Wald von Wolkenkratzern um uns herum kaum sichtbar war.
In diesem Chaos war Stillstand nicht möglich, und ich fand mich zwischen zwei japanischen Geschäftsmännern in schwarzen Anzügen wieder, die Aktentaschen mit sich trugen und sich in einer Sprache unterhielten, die ich nicht kannte. Doch wie schon in Afrika und Griechenland verstand ich sie trotzdem.
„… Neun-Uhr-Meeting mit dem Geschäftsführer aus San Francisco …“
„Natürlich, aber meinen Sie nicht auch …“
„James!“, rief ich und stemmte mich gegen den Strom der Menge, doch es hatte keinen Zweck. Mit weniger als zehn Minuten bis zu Kronos’ Ultimatum entdeckte ich von James keine Spur.
Die Geschäftsmänner links und rechts von mir warfen mir missbilligende Blicke zu, als hätten sie mich gerade erst bemerkt, und eilten weiter, bis ich hinter ihnen zurückfiel. Mir war es nur recht so.
„James!“, rief ich noch einmal, mittlerweile leicht panisch, als ich auf einem Gehweg landete. Ich wühlte mich durch die Menschenmenge, bis ich die gläserne Front eines Gebäudes erreichte, und lehnte mich dagegen, direkt unter einer Leuchtreklame für Elektronik. Das war doch der reinste Irrsinn. Wie konnten so viele Menschen zugleich an einem Ort sein?
„Ist das dein erstes Mal in Tokio?“, erklang neben mir eine amüsierte Stimme. James stand genauso lässig an die Wand gelehnt, wie er auf einer menschenleeren Wiese gelegen hätte. In der rechten Hand hielt er eine Schale Nudeln und in der linken Essstäbchen.
„Sehr witzig. Ich verschwinde jetzt.“ Ich schloss die Augen und begann, mich aufzulösen, doch James’ Hand auf meiner Schulter bremste mich.
„Ich mach’s“, erklärte er, den Mund voller Nudeln, bevor er schluckte. „Ich suche mir jemanden, wenn du mir versprichst, dass das hier nicht für immer ist.“
Leicht berührte ich seine Hand. „Versprochen. Wir sehen uns, wenn dieser Krieg vorbei ist, James.“
„Und mit ein bisschen Glück sind wir vielleicht sogar beide noch am Leben.“
Ein letztes Mal küsste ich ihn auf die Wange und trat zurück, um genug Raum zum Verschwinden zu haben. Dies war nicht das Ende. Wenn ich nicht dafür sorgen konnte, würde James es tun.
„Warte“, hielt er mich wieder zurück, und mit einer Handbewegung lösten seine Nudeln sich in Luft auf. „Wie willst du
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