Der Preis der Ewigkeit
er den Raum, beugte sich hinunter und gab Calliope einen sinnlichen Kuss.
Mit finsterer Miene schirmte ich mich mit der Hand vor diesem Anblick ab und begab mich wieder an Avas Seite. Doch trotz all meiner Bemühungen, die beiden zu ignorieren, konnte ich nicht widerstehen, einen kurzen Blick zu wagen, und da sah ich es.
Henrys Augen waren offen und er starrte Ava direkt ins Gesicht.
In seinen Armen begann Milo sich zu regen und streckte die Ärmchen nach mir aus. Er wusste, dass ich dort war. Wusste Henry das auch? Er war nicht Kronos, sonst hätte Calliope ihn niemals so geküsst. Aber konnte er mich wahrnehmen?
Zu meinem größten Erstaunen nickte Ava ein einziges Mal, so unmerklich, dass ich mir anfangs nicht sicher war, ob ich richtig gesehen hatte. Doch dann schloss Henry erneut die Augen und plötzlich war ich mir sicher. Er und Ava arbeiteten zusammen.
Gegen Calliope? Für Calliope? Um Milo zu retten? Das war der einzig plausible Grund, wenn Henry noch bei Sinnen war – Ava war eine Verräterin, die sowohl mich als auch Milo fast ums Leben gebracht hätte. Oder hatte sie Henry erzählt, dass ich hier sein und alles mitverfolgen würde?
Unzählige Möglichkeiten wirbelten mir durch den Kopf und nur mühsam drängte ich sie alle fort. Ich würde es nie erfahren, solange Ava es mir nicht erzählte, und ob Henry nun von meiner Anwesenheit wusste oder nicht – er küsste immer noch Calliope. Vielleicht musste er es tun. Vielleicht wollte er es. Die Antwort kannte ich nicht, doch das spielte auch keine Rolle. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sie niemals geküsst und daran musste ich mich klammern.
Endlich löste Calliope sich von ihm und berührte ihre geschwollenen Lippen. Ihre Augen leuchteten im schwachen Schein des Feuers. „Vielleicht sollten wir uns in unsere Gemächer zurückziehen.“
Oh Gott. Schliefen sie miteinander? Eine Woge der Übelkeit erfasste mich und beinah wäre ich rein instinktiv in die ferne Gegenwart des Olymps geflohen. Das Wissen, dass Henry vor Äonen mit Persephone im Bett gewesen war, war eine Sache. Aber das hier war zu viel. Er war mein Ehemann. Mein Henry, nicht ihrer. Calliope nahm mir alles, was mir je wichtig gewesen war, Stück für Stück, und sie war dabei, zu gewinnen. Spätestens zur Wintersonnenwende würde alles ihr gehören.
„Ja“, sagte Henry leise, als gäbe es niemanden außer ihnen auf der Welt. „Lass mich noch das Baby versorgen, dann komme ich zu dir.“
Kichernd gab ihm Calliope noch einen Kuss und tänzelte aus dem Raum. Nicholas blieb weiter an seinen Stuhl gefesselt. Für einen kurzen Augenblick sackte Henry in sich zusammen, beschützend hielt er Milo fester an sich gedrückt und suchte noch einmal Avas Blick. Keiner von beiden sagte etwas. Im nächsten Moment drehte Henry sich um und verließ den Raum, ließ Nicholas zurück, als wäre nichts geschehen.
Ich schloss die Augen. Das war nicht er, und wenn unsere Beziehung das irgendwie ohne irreparablen Schaden überstehen sollte, musste ich das im Gedächtnis behalten. Genau wie ich mich Kronos angeboten hatte im Tausch gegen Milos Sicherheit, hatte er dasselbe mit Calliope getan. Ich hatte kein Recht, wütend auf ihn zu sein. Auf Calliope und Ava, ja, ebenso wie auf den Rest des Rats, der gewusst hatte, was er plante, und ihn einfach hatte machen lassen. Aber nicht auf Henry.
„Kate“, flüsterte Ava erstickt, als er verschwunden war. Ich öffnete die Augen. Nicholas war wieder bewusstlos, nur schwach hob und senkte sich seine Brust. Neben ihm stand Ava. „Verstehst du jetzt?“
Ja, das tat ich. Zwar war das für nichts von all dem eine Entschuldigung und es konnte auch unsere Freundschaft nicht kitten, aber ich verstand. Und wäre die Sachlage andersherum gewesen, hätte ich erwartet, dass Ava mich mit der Macht einer Supernova hasste.
„Henry liebt dich immer noch, okay?“ Fast unhörbar glitten ihre Worte durch die Luft, doch ich fing jedes einzelne auf. „Das habe ich ihm nicht genommen. Das könnte ich gar nicht.“
Aber sie hatte ihn dazu gebracht, sich in Calliope zu verlieben, und er liebte sie mehr, als er mich jemals geliebt hatte – vielleicht sogar mehr, als er Persephone geliebt hatte. Künstlich herbeigeführt oder nicht, es war trotz allem Liebe. Und es würde nicht ungeschehen machen, was in jenem Schlafzimmer passierte.
Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ich musste aufhören, daran zu denken, und hatte genug gesehen. Ava hatte sich so oft
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