Der Preis der Ewigkeit
ein Ende zu setzen oder Milo zu beschützen. Und es würde nicht reichen, um den Rat davon zu überzeugen, dass Henry sich nicht gegen ihn wenden würde, wenn Calliope es ihm befahl. Ich konnte es ihnen nicht sagen.
„Er kämpft gegen sie an“, murmelte ich. Im besten Fall war das eine Halbwahrheit, im schlimmsten Fall eine dreiste Lüge. „Allzu viel kann er nicht tun, wenn er sie bei Laune halten will, aber er ist immer noch irgendwo da drin.“
„Gut“, meinte Sofia und lehnte sich auf ihrem Thron zurück. „Ich hab immer gewusst, dass er es kann. Sie kennt ihn nicht so gut wie den Rest von uns. Ihm gegenüber hat sie weniger Chancen, seine Schwächen auszumachen und gegen ihn einzusetzen.“
Unruhig presste ich die Hände zusammen. Genau das war es, was sie mit ihm machte. Sie kannte seine Schwachstellen – sie wusste, dass er alles tun würde, um Milo und mich zu schützen. Vielleicht hatte sie Ava sogar explizit befohlen, seine Liebe zu mir unangetastet zu lassen, damit er im Gedächtnis behielt, wofür er das alles tat. Oder sie hatte es einfach nur getan, damit es ihm das Herz zerriss, wenn er sie küsste und sich dabei daran erinnerte, wen er eigentlich lieben sollte.
Diese sadistische Schlampe.
„Worüber wollte Ava mit dir reden?“, fragte Walter.
„Sie hat ein weiteres Mal versucht, sich zu entschuldigen und ihre Beweggründe zu erklären.“ Das stimmte sogar größtenteils. „Sie hat mir gesagt, dass Kronos nach seinem Ausbruch als Erstes New York angreifen wird.“
Ein Raunen ging durch die verbleibenden Ratsmitglieder, und James sprach Dylan an: „Brauchst du noch mehr Beweise, dass er das alles wegen Kate macht?“
„Klappe“, murrte Dylan, worauf James ihm ein selbstgefälliges Grinsen zuwarf. Ihm mochte es Spaß machen, es seinem Bruder unter die Nase zu reiben, aber ich hätte so gut wie alles dafür gegeben, wenn Dylan recht behielte.
„Also gut, dann bereiten wir uns darauf vor“, übertönte Walter das Stimmengewirr und ich blinzelte. Er ließ sich von mir vorgeben, worauf sie sich fokussieren sollten, falls – wenn – Kronos ausbrauch … einfach so?
„Was ist, wenn Ava mich angelogen hat?“, wandte ich ein, doch Walter zuckte nur müde mit den Schultern.
„Dann sind wir verloren.“ Unsicher erhob er sich. „Geht und ruht euch aus, sammelt eure Kräfte. Morgen werden wir nicht angreifen, ebenso wenig an den anderen Tagen bis zur Wintersonnenwende.“
Es sollte wohl entrüstet wirken, wie Dylan aufstand, doch stattdessen sah er eher aus wie ein alter Mann, der sich aus einem Lehnstuhl hochkämpfte, der zu niedrig für ihn war. „Wir geben auf?“
„Wir konzentrieren unsere Energie darauf, eine Strategie zu entwickeln“, korrigierte Walter. „Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln kommen wir nicht weiter, solange Kronos die Schutzschilde auf der Insel gegen uns verwendet. Jetzt müssen wir einen anderen Ansatz finden.“ Er nickte mir zu. „Kate, ich hätte dich gern dabei.“
„Mich?“, hakte ich verblüfft nach und meine Mutter tätschelte mir die Hand. „Ich weiß doch nicht das Geringste darüber, wie man einen Krieg plant, und wie man kämpft, weiß ich definitiv auch nicht.“
„Du musst nicht kämpfen können, um dich nützlich zu machen. Wir haben sowieso nicht genug Zeit, um dich auszubilden“, erklärte Walter. „Aber du hast von allen am meisten Zeit mit Kronos verbracht, seit er entkommen ist, und wir können nicht länger ignorieren, wie gut du über ihn Bescheid weißt. Tagsüber wirst du so viele Informationen sammeln, wie du kannst, und abends setzen wir uns dann zusammen. Es sei denn, jemand hat eine andere Idee“, fügte er hinzu und sah Dylan herausfordernd an.
Dylan zuckte nur mit den Schultern und sagte nichts.
„Also gut. Die Sitzung ist beendet“, schloss Walter, und mit einer enormen Anstrengung, die sich in jedem seiner Schritte zeigte, machte er sich auf den Weg zu einem Korridor, den ich noch nicht erkundet hatte.
Auch die anderen Ratsmitglieder verließen den Thronsaal, bis nur noch James, meine Mutter und ich übrig waren. Obwohl auch er aussah, als würde er gleich zusammenklappen, kam James auf unsere Seite des Kreises, ein erschöpftes Lächeln auf den Lippen.
„Sieht so aus, als wärst du endlich drin“, kommentierte er und legte mir den Arm um die Schultern. „Das ist deine Gelegenheit, dich zu beweisen.“
„Und genau da liegt das Problem“, murmelte ich. „Ich weiß nicht, wie.“
Sanft strich
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