Der Preis der Ewigkeit
ich tun? Es war schlimm genug gewesen, sie bei der letzten Wintersonnenwende in den Krieg ziehen zu sehen, doch diesmal …
Diesmal würde es die größte Schlacht sein, die die Welt seit dem ersten Titanenkrieg gesehen hatte, und meine gesamte Familie würde an vorderster Front stehen.
„Ich will kämpfen“, verlangte ich, als schließlich außer mir nur noch meine Mutter und James dort waren.
„Oh Liebling.“ Sie zog mich von meinem Thron in ihre Arme. „Du weißt, dass das nicht geht.“
Natürlich musste sie das sagen. Ich würde alles tun, um für Milos Sicherheit zu sorgen, und ihr ging es mit mir nicht anders. „Ich muss. Ich kann nicht noch mal hier herumsitzen und warten. Ich weiß, dass ich nicht stark genug bin, um euch in irgendeiner Weise wirklich zu unterstützen. Aber vielleicht könnte ich Kronos ablenken oder Calliope oder ich … Ich weiß nicht. Irgendwas muss es doch geben.“
Doch sie schloss die Arme nur fester um mich und barg das Gesicht an meinem Hals. Tief atmete ich ein und versuchte mir diesen Moment einzuprägen. Sie musste zurückkehren. Und wenn nicht …
Ich schluckte. So durfte ich nicht denken. Sie hatte die bisherigen Kämpfe überstanden und würde auch diese Schlacht überleben.
„Komm“, murmelte sie. „Wir haben nicht viel Zeit und vorher möchte ich noch etwas erledigen. James?“
Er trat zu uns und berührte uns an den Schultern. „Spaßig wird das nicht“, meinte er, und bevor ich fragen konnte, wohin wir gingen, schloss er die Augen, und ein gleißendes Licht verschluckte den Saal, als wir gen Erde fielen.
Ich biss die Zähne zusammen, während meine Augen zu tränen begannen. So neu war mir diese Art, vom Olymp auf die Erde zu reisen, nicht. Was James’ Warnung sollte, wusste ich nicht. Bis …
Bis das Blau verschwand und Fels an seine Stelle trat.
Hätte ich gekonnt, ich hätte mich übergeben. Selbst mit meiner Mutter an meiner Seite drückten die unzähligen Erd- und Felsschichten auf mich hernieder, bis mein Herzschlag auf unserem Weg nach unten nur noch ein panisches Flattern war. Ich versuchte, mich zu zwingen, die Augen zu schließen, doch meine Lider gehorchten mir nicht. Mir blieb nichts, als mich an meine Mutter zu klammern und zu hoffen, dass es um Himmels willen bald vorbei sein würde.
Gerade als mein letzter Funken Mut sich samt meiner Selbstkontrolle in Luft auflöste, landeten meine Füße auf dem Boden der Felskaverne vor Henrys Obsidianpalast. Hätte meine Mutter mich nicht festgehalten, wäre ich umgefallen, und auch so fiel es mir verdammt schwer, mich auf den Beinen zu halten. Mir schlotterten die Knie, als mir sämtliches Blut aus dem Kopf wich und die Felswände sich um mich zu drehen begannen.
„Du Arschloch .“ Mit aller Kraft boxte ich James auf den Oberarm. Nicht, dass ihm das wehgetan hätte. „Warum machst du das immer wieder?“
Er grinste übers ganze Gesicht. „Weil dein Gesichtsausdruck dabei einfach unbezahlbar ist. Jetzt mal ernsthaft, Kate. Was glaubst du denn? Dass ich dich da im Felsen stecken lasse?“
Ich erschauderte. „Das würdest du nicht tun.“
„Das könnte ich nicht tun“, korrigierte er. „Wenn du erst mal gelernt hast, wie man die Portale benutzt, wirst du es genauso wenig können.“
Ich öffnete den Mund, um weiter mit ihm zu streiten, doch dann hörte ich leises Stimmengemurmel und wandte meine Aufmerksamkeit dem Palast zu. In seinem Schatten hatte sich eine Menge versammelt, die den gesamten Garten bis zum Fluss am anderen Ende der Höhle einnahm. „Was ist da los? Wer sind die alle?“
„Die Toten“, antwortete James stirnrunzelnd. „Die verlorenen Seelen, die Hilfe brauchen. Es ist niemand hier, der ihnen sagen kann, was sie tun sollen, also sitzen sie bis zu deiner und Henrys Rückkehr hier fest.“
Sprachlos starrte ich hinüber. Es mussten Tausende sein, die die riesige Höhle füllten und vor den Toren von Henrys Palast ihr Urteil erwarteten. Mit einigen hatte ich gerechnet, schließlich wusste ich, dass Henry fort war – aber nicht mit so etwas.
Dabei war klar, warum es so viele waren. Bei den Massen, die Kronos abgeschlachtet hatte, hätte ich mich eigentlich wundern müssen, dass es nicht mehr waren. „Wir müssen ihnen helfen.“
„Nicht jetzt, Liebes“, bremste mich meine Mutter und streichelte mir über den Rücken. „Die haben Zeit bis in alle Ewigkeit. Aber wir müssen weiter.“
„Und wohin?“, fragte ich.
„Wir besuchen deine Schwester“, erklärte
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