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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Endres
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unterhielt sich leise mit der Nixe. Diese wiederum hielt den üppigen Blumenstrauß wie ein goldenes Zepter in der Hand, während ihre Rechte vertrauensvoll auf Viscos Knie ruhte.
Lorn wollte gerade etwas wenig Schmeichelhaftes in Richtung der beiden rufen, als der Vampir sich von selbst erhob, ein paar letzte gemurmelte Worte des Abschieds an die Tochter des Meeres richtete und dann mit langen, steifen Schritten zum Waldrand und dem dort wartenden Jagam stakste.
»Und?« Obwohl ein Blick in Viscos maskenhaftes Gesicht genügt hätte, musste der Nachtjäger die Frage einfach stellen. »Hat sich dein Fischmädchen gefreut?«
»Ja, das hat sie!«, antwortete Visco ungewohnt heftig und zog sich ruckartig in den Sattel, nur um Lorn anschließend die Zügel förmlich aus der Hand zu reißen . Die Augen des Vampirs verschossen lodernde Blitze. »Und falls es dich interessiert: Sie hat mich nicht aufgefordert, zu ihr ins Wasser zu springen, damit sie mir ihre Glücksmuschel zeigen kann. Arschloch «, fügte Visco leise, aber inbrünstig und voller Abscheu für den Nachtjäger hinzu.
Die feinen Narben um Lorns Mund spannten sich leicht, als er ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte. Ohne sich die Mühe zu machen, Visco eine sprachliche Riposte zu präsentieren, drückte der Jagam seinem Braunen die Schenkel in die Seite und ließ ihn durch eine Lücke zwischen den Bäumen in den schattenfleckigen Wald treten.
Ehe er Lorn folgte und ebenfalls in die Düsternis des Waldes eintauchte, warf Visco DeRául einen letzten Blick zurück zum See. Die Tochter des Meeres verweilte immer noch am Ufer und roch gelegentlich an ihrem Blumenstrauß, den Blick fest auf das feuchte Gras gerichtet – und zugleich in weite Ferne und andere, ebenso weit entfernte Zeiten.
Süße Wassertropfen und salzige Tränen schimmerten im Sonnenlicht auf den Wangen der Nixe.
Ein kühler Windhauch strich über die Wiese.
Er trug die kalte Saat des Winters im Herzen.
Das letzte Geschenk, schoss es Visco durch den Kopf.
Schaudernd wandte er den Blick ab und folgte Lorn in die beklemmende Schattenwelt zwischen den Bäumen.
*
    Nach geraumer Zeit bewegten sie sich parallel zu einem Fluss, der in einiger Entfernung als leises Hintergrundrauschen plätscherte. Irgendwann machte ihr gewundener Pfad zwischen den Baumreihen dann aber eine scharfe Biegung nach Osten, woraufhin das Rauschen zu einem fernen Murmeln verkam.
Visco saß die ganze Zeit über in brütender Stimmung auf seinem Rappen und schwieg vor sich hin. Zu gern wäre er zurückgeritten und hätte der Nixe gesagt, dass er sich den Damm ansehen und dort tun würde, was in seiner Macht stand, um etwas an ihrem Schicksal zu ändern. Allerdings schreckte er davor zurück, es wirklich zu tun. Zum einen, weil er keine falsche Hoffnung in der bekümmerten Tochter des Meeres säen wollte, da dies ihr Leiden bei einem Scheitern seinerseits nur noch schlimmer gemacht hätte; zum anderen, weil er nicht schon wieder einen Streit mit Lorn anzufangen gedachte. Nach der Angelegenheit in Egemunde, der Sache mit der Pilzprinzessin und vor allem der unschönen Eskapade mit der Tochter des Herzogs wollte er sich nicht schon wieder den Unmut seines Partners zuziehen, indem er sie abermals auf eine unvorhergesehene Abzweigung des Schicksals brachte.
Also seufzte Visco nur traurig, als Lorn und er irgendwann gegen Abend ihr spärliches Nachtlager unter den Bäumen errichteten. Da Lorn die erste Wache übernahm, wickelte sich Visco in seine Decken und sank mit dem fernen Phantomrauschen des Flusses im Ohr in einen leichten Schlummer.
Wo das ferne Rauschen des Flüsschens zum tosenden Brausen des Ozeans wurde.
*
    Visco fuhr aus dem Schlaf, als ein paar Meter neben ihm ein Zweig knackte. Blitzschnell warf er die Decke zur Seite, griff nach seinem Rapier und sprang auf die Füße.
»Ruhig Blut, Scharfzahn.«
Beim Klang von Lorns Brummstimme entspannte Visco sich ein wenig. Geräuschvoll schob er die Klinge zurück in die Scheide und ließ beides neben seinem Deckenlager auf die Erde fallen.
»Wo kommst du her?«, fragte der Vampir grantig. »Solltest du nicht Wache halten und meinen Schlaf bewachen?«
Lorn antwortete nicht. Stattessen ging er neben Visco in die Hocke und stocherte mit dem Schaft seiner Axt in der Asche ihres niedergebrannten Feuers, bis die Glut unter den glimmenden Holzstücken wieder zu neuem Leben erwachte.
»Gab es Probleme?« Visco nickte brüsk in Richtung der Streitaxt zwischen Lorns Lederfingern,

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