Der Preis des Verrats (German Edition)
die Stirn mit dem zweiten und dritten Finger der rechten Hand. „Tut mir leid. Ich bin schon länger hier draußen, als mir klar war. Habe ich irgendetwas verpasst?“
„Die äußere Leichenschau ist vorbei. Das Opfer wurde vergewaltigt, aber Ketel hat kein Sperma finden können. Vaginale Quetschungen weisen darauf hin, dass der Typ grob wurde. Ketel denkt auch, dass es eine Penetration mit einem Gegenstand gegeben hat.“
Reid nickte. Er erwartete, dass Mitch ihm die Hölle heißmachen würde, aber zu seiner Überraschung ließ sein Partner die Gelegenheit verstreichen.
„Bist du in Ordnung?“
„Ja.“
„Lass dir Zeit, okay? Wenn das hier vorbei ist, sollten du und ich vielleicht ein Bier trinken gehen. Ich kann dich dann auf den neuesten Stand bringen und mehr ins Detail gehen, als es in der Besprechung möglich war.“
Ein schrilles, maschinelles Kreischen tönte aus dem Inneren des Obduktionssaals. Reid wusste aus Erfahrung, dass es die Knochensäge war, mit der Dr. Ketel den Brustkorb öffnete. Mitch warf ihm einen letzten besorgten Blick zu und kehrte in den Raum zurück.
Ein Gedanke wollte Reid einfach nicht aus dem Kopf gehen. Wenn der Killer in seinem Verhalten eskalierte, wollte er den Kick, die Erregung auch immer häufiger spüren.
Er würde eine weitere Frau entführen, und zwar bald.
36. KAPITEL
Die Medikamente halfen dieses Mal nicht.
Reid glitt an der Badezimmerwand herunter und spürte die kalten Keramikkacheln an seinem nackten Rücken. Sobald er auf dem Boden landete, stützte er den Kopf in die Hände. Das Pochen war hartnäckig – ein tiefer, wiederkehrender Messerstich in seinem Schädel, als ob ein Tier versuchte, sich seinen Weg hinauszukratzen.
Nur ein paar Stunden waren verstrichen, seit er Mitch an der Bar zurückgelassen hatte. Irgendwann war er im Bett aufgewacht, hatte die schwachen Auren, die Vorboten der Migräne, um die Möbel und den Türrahmen herum wahrgenommen. Er war dabei ins Bad gestolpert und hatte es kaum zur Toilette geschafft, bevor er sich übergab. Benommen saß er jetzt da und beschloss, sich nicht vom Fleck zu rühren, bis der Schmerz abgeklungen war. Wenn er denn dieses Mal verschwindet . Der Anfall war schlimmer, dauerte länger als vor zwei Nächten, als Caitlyn ihn entdeckt hatte.
Ein weiterer pulsierender Stich trübte seine Augen, drückte auf seine Lunge und nahm ihm den Atem. Zornig wischte er die Träne fort, die sein Gesicht herunterrollte.
Wenn der Tumor zurückgekehrt war …
Megan und Cooper, sein Vater, Isabelle und Maddie – wenn er wieder krank wurde, würde das Leben seiner Familie auf den Kopf gestellt werden, vollkommen auf Eis gelegt sein, während sie sich um ihn kümmerten, wie sie es vor sechs Monaten getan hatten. Er würde sich erneut krankschreiben lassen müssen, und er war sich nicht sicher, ob seine Karriere das ein zweites Mal überleben würde. Aber was sogar noch wichtiger war, der Täter würde nach wie vor frei herumlaufen und Gewalt und Tod über seine Opfer bringen. Und Caitlyn wäre immer noch in seinem Fadenkreuz. Der Killer hatte sie bereits einmal erwischt – er konnte das nicht erneut geschehen lassen.
Reid hielt seine Augen geschlossen und kämpfte gegen den Schmerz an.
Zugleich wusste er, dass er ein gefährliches Spiel spielte. Er erkannte das mit wachsender Gewissheit. Er hatte die Augen vor der Wahrheit verschlossen, hatte die wiederholten Nachrichten aus der Praxis des Neurologen einfach nicht beachtet. Reid lehnte den Kopf gegen die Kacheln und feilschte mit Gott um nur ein bisschen mehr Zeit.
Aber er würde eine Entscheidung treffen müssen, und das bald.
Der Mittwochnachmittag war verregnet und grau, dem traurigen Anlass angemessen. Caitlyn stand mit Reid an ihrer Seite am Rande der Trauergemeinde. Von dem Schirm, den Reid über ihren Köpfen hielt, tropfte der Regen, und in der beißenden Kälte verschmolzen ihre Atemwolken zu einem einzigen Nebel.
Mit tränennassen Augen hörte Caitlyn zu, als der Pfarrer hinter dem Sarg zu sprechen begann. Bliss’ Sarg war aus geschnitztem Holz gefertigt und trug aufwendige Zinnverzierungen. Auf seinem Deckel lag ein großer Strauß roter Rosen. Der Pfarrer sprach über Bliss, ihre Lebensfreude und über die Menschen, die sie liebte. Dann erzählte er von den tragischen Umständen ihres Todes. Caitlyn spürte die Blicke der anderen Trauergäste von Zeit zu Zeit zu ihr herüberhuschen und hörte ihr leises Flüstern, das in der kalten Luft um sie
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