Der Preis des Verrats (German Edition)
Er blieb neben Caitlyn sitzen und bemühte sich nach Kräften, nicht in der schweren Flut seiner Gedanken zu ertrinken, bis eine Krankenschwester ein Blutdruckmessgerät in das Zimmer rollte. Reid erhob sich von dem Stuhl und ging hinaus vor die Tür. In diesem Augenblick betrat Mitch den Flur.
„Du willst mir sagen, dass das alles hier nur ein Zufall gewesen ist?“, fragte Reid scharf und zeigte zu Caitlyns Zimmer. „Und du glaubst, es war nicht seine Absicht, dass sie als Opfer Nummer drei endet?“
Mitch hob eine Hand, um ihn zu unterbrechen. „Ich werde mich jetzt nicht mit dir streiten. Aber ich muss etwas richtigstellen. Ms Cahill wäre Opfer Nummer vier gewesen.“
Reid spürte, wie sich eine panische Angst in ihm ausbreitete.
„Ich habe gerade einen Anruf bekommen, deshalb kam ich, um nach dir zu suchen. Es waren zwei Anrufe, um ehrlich zu sein. Erstens, wir haben eine weitere Leiche.“
Reid hatte kaum Zeit, die eine Information zu verarbeiten, als Mitch schon die nächste verkündete. „Der zweite Anruf kam von der Psychiatriestation des Washington Hospital. David Hunter ist letzte Nacht ausgebrochen.“
24. KAPITEL
Ein kalter Nieselregen hatte eingesetzt. Finster beobachtete Reid, wie der nackte weibliche Leichnam in einen schwarzen Leichensack gepackt und auf eine Bahre geladen wurde. Er hatte offenbar seit Tagen dort gelegen, zwischen dem Abfall in einem Müllcontainer hinter einem Restaurant in der K Street. Ein Obdachloser hatte die Leiche beim Durchwühlen des Containers gefunden, und Reid fragte sich jetzt, wie der Gestank so lange hatte unbemerkt bleiben können.
Mitch sprach gerade mit dem Mann, ein ausgemergelter Junkie mit dunkler Haut und ungewaschenem Haar. Reids Partner hielt die Beweismitteltüte aus Zellophan in seiner latexbehandschuhten Hand. Sie enthielt eine Schachfigur, den Bauern, der im Mund des Opfers festgeklemmt worden war. Zwei Mitarbeiter der Gerichtsmedizin rollten die Bahre vorbei und luden sie in einen Leichenwagen.
Mitch kam zu Reid herüber und wies mit dem Daumen in Richtung des Obdachlosen. „Er will wissen, ob es eine Belohnung dafür gibt, dass er die Polizei angerufen hat.“
Er reichte die Beweismitteltüte einem der Kriminaltechniker, dann schlug er seinen Jackettkragen zum Schutz gegen den Regen hoch und schaute sich um. „Wo zur Hölle ist Morehouse mit meinem Regenschirm hingegangen?“
Auf der Fahrt vom Krankenhaus hierher hatten sie kurz mit dem Leiter der psychiatrischen Station telefoniert, von der David Hunter entflohen war. Wie er sich dem Krankenhauspersonal überhaupt hatte entziehen können, war in den Details immer noch lückenhaft, doch sein Verschwinden war bis zum frühen Morgen unbemerkt geblieben.
„Wir haben Glück – dank der angespannten Haushaltslage hier im District ist der Müll noch nicht abgeholt worden. Wenn man von dem Verwesungsgrad ausgeht, hat der Leichnam mindestens eine Woche hier gelegen“, sagte Mitch. „Hunter wurde vor nur vier Tagen festgenommen – rechne es dir selbst aus. Undabgesehen davon, bringt ihn sein Ausbruch irgendwann in der letzten Nacht auch ins Rennen für den Überfall auf Ms Cahill.“
„Der Mann auf dem Überwachungsband ist viel zu groß.“
„Wie groß ist Hunter? Etwa eins achtzig?“, gab Mitch zu bedenken. „Er ist zwar ziemlich dünn, aber mit der dicken Jacke und der Maske, die der Kerl trug, und in Anbetracht der schlechten bis nicht vorhandenen Beleuchtung könnte er es gewesen sein. Ich finde, wir sollten die Grundregeln der Ermittlungsarbeit nicht übergehen, nämlich Mittel, Motiv und Gelegenheit.“
„Er ist es nicht“, sagte Reid ruhig.
„Ach ja, hab ich ganz vergessen. Hunter passt nicht in dein psychologisches Profil.“
In diesem Moment räusperte sich Morehouse hinter ihnen und gab zu verstehen, dass er etwas sagen wollte. Er schaute Mitch an. „Wir müssen mit der Unbekannten ins Leichenschauhaus …“
„Mach du das.“ Mitch warf Morehouse die Autoschlüssel zu. „Ich habe Wichtigeres zu tun. Und gib mir meinen Regenschirm zurück.“
„Wichtigeres?“, fragte Reid, sobald der jüngere Agent den schwarzen Regenschirm wieder abgegeben hatte und in Richtung Wagen abschob. Die Schultern hatte er hochgezogen, um sich gegen den zunehmenden Regen zu schützen.
„Du hast deine Intuition und ich habe meine. Ich werde jetzt diesem Dr. Abrams im Washington Hospital einen Besuch abstatten und versuchen herauszufinden, wie Hunter entwischen konnte, ohne dass es
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