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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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Morddrohungen erhalten wirst.«
    »Mike! … Mike! … Mulcahy!«
    Es war Mittag in Madrid, und die Flugpassagiere schoben sich in das volle Terminal 1 des Barajas Airports. Erst als er seinen entsetzlich entstellten Nachnamen hörte, blieb Mulcahy stehen und betrachtete die Menschenmenge vor den Sperren, die die Ankömmlinge begrüßte. Dann hörte er die Stimme noch einmal.
    »Mike! Hier drüben!«
    Mulcahy ließ den Blick über die Phalanx zu seiner Linken schweifen. Da stand die große, schlanke Gestalt von Javier Martinez an einen Pfeiler gelehnt und winkte mit einer Zeitung.
    »Jav!«, rief er. Er hatte nicht damit gerechnet, abgeholt zu werden, und hatte vorgehabt, mit der Metro nach Principe de Vergara zu fahren, bevor er sich mit Martinez in Kontakt setzte und sich erkundigte, wo die Vernehmung stattfand. »Was machst du denn hier?«
    Breit grinsend deutete Martinez nach vorne auf das Ende der Sperren und machte sich dahin auf den Weg. Mulcahy ging in die gleiche Richtung und umarmte seinen alten Freund herzlich, als sie sich schließlich begegneten. Für den Bruchteil einer Sekunde fielen sämtliche Sorgen und Belastungen von ihm ab, und er wurde ein oder zwei Jahre zurück in die Vergangenheit versetzt, in die Zeit bei der Drogenfahndung, wo er für Gerechtigkeit und das Gute gekämpft hatte. Martinez war der Kollege gewesen, mit dem er all die sieben Jahre Seite an Seite gearbeitet hatte, ein Mann, der die Fähigkeiten eines Reiseführers, Sprachlehrers, Landeskenners, Saufkumpans und verdammt guten Freundes in sich vereinigte. Auch Gracia hatte er durch Martinez kennengelernt, wobei man das im Nachhinein nicht mehr unbedingt als Pluspunkt werten konnte.
    Mulcahy lachte und klopfte Martinez kräftig auf die Schulter. Seine Laune hatte sich schlagartig gebessert. »Hey, verdammt schön, endlich mal wieder hier zu sein.«
    Der Spanier lächelte, wedelte mit den Autoschlüsseln und ging zum Ausgang. Bei Mulcahy hatte schon die Tatsache, wieder nach Madrid zu kommen und seinen alten Kumpel wiederzusehen, einen Endorphinschub ausgelöst. Selbst die Hitzewand, die ihm entgegenschlug, als sie das klimatisierte Flughafengebäude verließen, fühlte sich gut an – einschließlich der unter dem Hemd kribbelnden Schweißtropfen. Er war so hingerissen, dass Martinez ihn festhalten musste, als er, in die falsche Richtung blickend, auf die Straße trat und dabei fast unter die Räder eines großen Taxis geraten wäre. Es war ein Riesending, eine Mischung aus Minivan und Kleinbus, dessen Fahrer das Lenkrad scharf einschlagen musste, um Mulcahy auszuweichen. Der Kerl streckte daraufhin den Kopf aus dem offenen Fenster und bedachte ihn mit einem Schwall Madrilener Obszönitäten.
    Doch Mulcahy lachte nur: »Herrgott, Jav, ich bin wirklich lange weg gewesen.«
    Sie erreichten den Wagen, ein offenbar brandneues, silbernes Mercedes-Coupé. Das war keine Überraschung. Martinez hatte immer Geld gehabt: Ein riesiges Apartment im Stadtteil Salamanca, ein Schrank voller maßgeschneiderter englischer Anzüge, Hemden und handgemachter Schuhe wie die, die er jetzt trug. Er entstammte einer »stinkreichen, anglophilen Familie«, wie er Mulcahy vor Jahren einmal anvertraut hatte, und war unglaublich gut vernetzt. Auf diese Weise war er vermutlich auch an seinen aktuellen Job gekommen. Die einzige Frage, die er nie zu Mulcahys Zufriedenheit beantwortet hatte, lautete, was ein spanischer Playboy in den Niederungen der Policía Nacional zu suchen hatte.
    Martinez setzte im engen Parkhaus mit einem Reifenquietschen aus dem Parkplatz zurück. Manche Dinge ändern sich nie, dachte Mulcahy. Er hatte sich nie an den verrückten Machismo gewöhnt, den spanische Autofahrer an den Tag legten. Erst nachdem sie den Flughafenbereich verlassen hatten und sich auf der Autobahn einreihten, sagte Martinez wieder etwas.
    »Don Alfonso weiß, dass du schnellstmöglich mit Jesica reden willst. Er macht allerdings zur Bedingung, dass du nur in Anwesenheit von Jesicas Psychologin mit ihr sprichst. Das ist doch in Ordnung, oder?«
    Mulcahy antwortete nicht, dachte eine Weile darüber nach, sah allerdings kein Problem.
    Martinez deutete Mulcahys Schweigen falsch und sah ihn etwas beschämt an: »Ich weiß, dass das nicht ideal ist für dich, aber in diesem Punkt war er sehr … äh … bestimmt.«
    »Nein, nein, das braucht dir nicht leidzutun«, schrie Mulcahy gegen den Fahrtwind an. »Das geht schon. Und danke, dass du das so schnell geklärt hast. Wir

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