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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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besser.
    Cassidy hob die Hände, ging an ihm vorbei und trat an den Tisch.
    »Wieso gucken Sie sich das ganze Zeug an?«, fragte er spitz. »Ich dachte, das hier würde Sie interessieren. Brogan wird’s auf jeden Fall.« Er schob das Buch und die Fotokopien beiseite und schaffte Platz für die Karte vom Phoenix Park. Es war eine alte Ordnance-Survey-Karte in ausgezeichneter Druckqualität. Cassidy tippte mit dem Finger auf die linke Seite, wo mit einem Bleistift das y von Furry Glen eingekreist war und die eng aneinanderliegenden Höhenlinien die Senke anzeigten, in der Paula Halpins Leiche gefunden worden war.
    »Er steht echt mit heruntergelassenen Hosen da«, sagte Cassidy, doch Mulcahys Blick war auf eine andere Stelle der Karte gefallen, ein Stück leere Parklandschaft ohne Bleistiftmarkierung, eine große Grünfläche, über die ihr Name »Fifteen Acres« gedruckt war. Unter den Namen, kaum von den Druckbuchstaben darüber zu unterscheiden, hatte jemand in winziger Schrift die Worte Deus non irridetur geschrieben. Ihm stockte das Herz. Es war die gleiche Nachricht, die Siobhan bekommen hatte: Gott lässt sich nicht verspotten.
    In Mulcahys Kopf rotierte alles, schien dann fast zum Stehen zu kommen, und beinahe hätte er es verstanden, doch dann wurde alles wieder überschwemmt von einem neuen Schwall Informationen, die er nicht so schnell verarbeiten konnte. Bruchstückhafte Bilder von Siobhan im Fernsehen, von Orten und Daten, von Dornenkronen, gezackten Nägeln und dem Blut Christi. Es gab sehr viele Möglichkeiten, aber keine von ihnen war plausibel.
    »Er muss mit Paula Halpin etwas vorgehabt haben«, sagte Mulcahy. »Aber das hat nicht funktioniert. Sie sagten doch, sie hätte Herzprobleme gehabt, oder? Vielleicht hat sie die Herzattacke bekommen, als er sie überfallen hat, und er hat das erst gemerkt, als es schon zu spät war. Also hatte er ihre Leiche da untergebracht, wo er sie eigentlich brauchte, sie wurde aber entdeckt. Daraufhin ist er losgezogen und hat sich ein anderes Mädchen geholt, doch im letzten Moment hat das Schicksal zugeschlagen und ihm jemanden präsentiert, der noch besser in seinen Plan passte.«
    »Wovon reden Sie?«, fragte Cassidy und sah ihn an.
    »Es muss ihm wie ein Wunder vorgekommen sein: Siobhan Fallon kommt einfach so die Einfahrt hereinspaziert.« Mulcahy schwieg schwer atmend und dachte noch einmal darüber nach, ob er die Einzelteile im Kopf auch richtig zusammengesetzt hatte. »Was sagt Ihnen das?«, fragte er und deutete auf die Fifteen Acres auf der Karte.
    »Da ist nichts«, sagte Cassidy. »Nur Gras.«
    »Aber das ist eine alte Karte, stimmt’s?«, sagte Mulcahy. »Was ist da jetzt? Was steht da seit dreißig Jahren? Seit 1979? Was ist da, wenn man es zu dem ganzen anderen Mist hier in Beziehung setzt?«
    Dann dämmerte es auch Cassidy, worauf er kurz nach Luft schnappte und ein kehliges »Scheiße!« ausstieß.
    Doch Mulcahy war schon auf dem Weg zur Tür und viel zu panisch, um darauf zu achten, ob Cassidy ihm folgte.
    Mulcahy registrierte die Stadt kaum, als er durch das alte Dublin hetzte, die letzten Reste des abendlichen Verkehrs in Rathmines hinter sich ließ, über die Brücke des Grand Canal raste und weiter an den beleuchteten Spitzen von St. Patrick’s Cathedral vorbei, bis er unter jaulendem Protest der gequälten Reifen am Merchant’s Quay vor dem Fluss scharf nach links abbog. Dann trat er das Gaspedal ganz durch und nahm die Hand nicht mehr von der Hupe, während sie auf den Park zurasten und auf das Wohlwollen des Schicksals sowie auf die Nüchternheit der anderen Fahrer hofften, damit ihnen niemand in die Quere kam. Cassidy, der es gerade noch auf den Beifahrersitz geschafft hatte, bevor Mulcahy mit dem Saab losgeschossen war, schwieg fast die ganze Fahrt über, wobei er eine Hand als Stoßdämpfer zwischen das Autodach und seinen Kopf hielt, jedes Mal fluchte, wenn ein Rad in ein Schlagloch knallte, und die Straße vor sich mit der Konzentration eines Mannes beäugte, der schon viele Verfolgungsjagden mitgemacht hatte und nicht ein einziges Mal Spaß an dieser Erfahrung gehabt hatte. Mulcahy bemerkte ihn kaum, oder, falls doch, kümmerte er sich nicht um ihn. Er war voll und ganz damit beschäftigt, den irischen Geschwindigkeitsrekord für Landfahrzeuge zu brechen. Er raste die Quays entlang, bis er schließlich Heuston Station erreichte und noch ein paar Millimeter Profil auf der Straße ließ, als er nach Norden über die Brücke, die

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