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Der Priester

Der Priester

Titel: Der Priester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard O'Donovan
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herschob. Piric sah schon so aus, seit er Ende der 90er als bosnischer Kriegsflüchtling in Dublin aufgetaucht war. Die Vergangenheit hatte tiefe Spuren in seinem Gesicht hinterlassen – er hatte ein Massaker überlebt, indem er sich unter den Leichen der anderen Dorfbewohner versteckt hatte.
    Eigentlich hatte sie seine Story an die Irish Independent verkaufen wollen, aber dann waren ihr Zweifel an seinen Angaben gekommen. Obwohl er zweifellos Zeuge eines Massakers geworden war, hatte sie sich doch gefragt, auf welcher Seite der Gräueltat er damals gestanden hatte. Andererseits – selbst wenn sie auf seine Schilderung hereingefallen war, die Arbeit, die Piric hier machen musste, konnte man nur als eine Form von Strafe sehen. Als er den Rollstuhl vorbeischob, erkannte er sie und lächelte. Ihr fiel wieder ein, wie beunruhigend sie dieses Lächeln schon immer fand – es lag keinerlei Wärme darin, erinnerte eher an ein zähnefletschendes Raubtier.
    »Hi, Ivo.«
    Er hob eine Hand und parkte den alten Mann im Eingang eines Fernsehzimmers, wo Patienten und Besucher mit einer unsäglich schlechten Magazinsendung ruhiggestellt wurden. Als Piric herankam, hatte er den Blick schon auf das kleine, braune Lederportemonnaie gerichtet, das Siobhan aus der Tasche zog.
    »Ich brauche ein paar Informationen«, flüsterte sie, legte ihm die Hand auf den Unterarm und zog ihn zur Wand. »Und Sie sind der Mann, der sie mir besorgen kann.«
    Mulcahy brauchte viel länger dazu herauszubekommen, wie er alle Reviere der Dublin-Metropolitan-Region in die Adresszeile kopierte, als für das Schreiben der Mail. Er klickte auf den Senden-Button, und seine Bitte um Informationen über gewaltsame sexuelle Übergriffe mit religiösen Untertönen verschwand mit einem tiefen Zischen aus den Lautsprechern im elektronischen Äther. Er überlegte, ob er noch einmal versuchen sollte, Brogan zu erreichen, als das Telefon klingelte. Sie war am Apparat.
    »Ich dachte, Sie sollten Ihren Kumpeln von der Botschaft mitteilen, dass wir den Kerl in Gewahrsam haben«, sagte sie mit begeisterter Stimme.
    »Toll«, sagte er. »Erzählen Sie mir, wie Sie ihn gefunden haben, dann fange ich an, meine Koffer zu packen.«
    »Na ja, das wäre noch etwas verfrüht. Wir haben noch keinen Haftbefehl gegen ihn.«
    »Aber er ist es, oder?«
    »Ein Geständnis hat er noch nicht abgelegt. Er hat jedoch zugegeben, dass er mit Jesica zusammen den Club verlassen hat, außerdem haben wir in seiner Garage einen Lieferwagen mit einer Schweißausrüstung im Laderaum gefunden. Die Spurensicherung guckt sich das gerade an. Morgen früh müssten sie erste Ergebnisse für uns haben.«
    »Dann darf ich davon ausgehen, dass er nicht Schweißer von Beruf ist.«
    »Nicht direkt.« Brogan lachte bitter. »Er sagt, er macht seinen Doktor am University College Dublin. In Mittelalterlicher Geschichte oder so was.«
    »Das ist ja interessant.«
    »Kann ich nicht beurteilen.«
    »Nein, ich meine, ein Akademiker mit Schweißgerät. Schweißen gehört nicht zu den typischen Hobbys von Akademikern.«
    »Absolut richtig, ja«, sagte sie leicht abwesend. »Na ja, im Moment halten wir ihn wegen Drogenbesitz fest. Wir haben in seinem Schlafzimmer Hasch und Ecstasy gefunden.«
    »Viel?«
    »Nicht besonders viel Hasch, aber immerhin so zwanzig bis dreißig Ecstasy-Pillen.«
    Mulcahy wusste, was das bedeutete. »Ziemlich viel für einen klammen Studenten. Glauben Sie, dass er deshalb im Club war? Zum Dealen?«
    »Das dachte ich auch erst. So klamm ist er im Übrigen gar nicht. Er trägt Designerkleidung, handgemachte Schuhe und so weiter. Also keine billigen Studentenklamotten. Ich dachte, vielleicht könnten Sie ihn mit Ihren Beziehungen zur Drogenfahndung mal überprüfen. Vielleicht haben die ja irgendetwas über ihn.«
    »Kein Problem«, sagte er, froh darüber, endlich etwas Sinnvolles tun zu können.
    »Das sollte dann ziemlich fix gehen. Wäre gut, wenn wir ihn in der nächsten Vernehmung schon damit konfrontieren könnten.«
    »Das krieg ich schon hin. Sagen Sie mir seinen Namen und die persönlichen Daten, dann klär ich das und melde mich wieder bei Ihnen.«
    Sie gab ihm alles, was sie über Scully wussten, und wollte auf seinen Anruf warten.
    »Haben Sie meine Nachricht mit Geraghtys Auskünften bekommen?«
    »Ja«, sagte sie. »Wie ist er an Sie geraten?«
    Er war froh, dass sie nicht sah, wie er zum Himmel blickte. Beinahe hätte er ihre paranoide Ader vergessen.
    »Ich hab mir selbst ein

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