Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
«
Gremm begann erneut, auf und ab zu laufen, um klarer denken zu können. Die Sache gefiel ihm immer weniger, aus Gründen, die er dem alten Gefährten nicht sagen würde. Er spürte nämlich nagende Zweifel: Sester hat Merson belogen, was, wenn er nun mich belügt?, dachte er. Was, wenn auch Unbal Titior ihm oder Orn Wraas irgendwie im Wege ist und nur deshalb beseitigt werden soll?
Aber dann erschien Viltor, und die Zweifel waren nicht stark genug, oder, so dachte Gremm, er selbst war wohl nicht stark genug, um die Sache abzublasen. Also sagte er seinem Neffen den Namen, den er von Elgos erfahren hatte.
» Titior also « , meinte der nur.
» Hoher Rat und Richter Titior, Viltor. Er ist einer der einflussreichsten Männer der Stadt! «
» Und? «
» Es kann fürchterliche Folgen haben, wenn du dich mit ihm anlegst. «
» Das habe ich jetzt schon öfter gehört. Und ich lege mich nicht mit ihm an, ich bringe ihn um. Ich habe meiner Mutter etwas versprochen, und ich gedenke, dieses Versprechen zu halten. «
Kühle Spätsommerluft zog durch das Fenster in die kleine Kammer hinein. Lizet war erleichtert, dass die Hitze endlich ein Ende hatte, aber das war auch das einzig Gute, was er an diesem Tag entdecken konnte. » Es gibt keinen Zweifel, es war der Gesandte selbst. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen! « , erklärte er zum wiederholten Male.
Ghula Mischitu saß hinter ihrem Schreibtisch und schien in die Betrachtung der Decke vertieft zu sein. » Ihr könnt Euch glücklich schätzen, Hauptmann. Ihr habt einen Schatten bei der Arbeit gesehen – und habt es überlebt « , sagte sie endlich.
» Unric muss ihn gekannt haben. Der Mann hat im Tod noch seinen Namen geflüstert. Ich frage mich allerdings immer noch, warum Merson sich überhaupt gezeigt hat. «
» Ihr hattet wohl noch nicht viel mit Zauberern zu tun, Lizet, sonst wüsstet Ihr, dass sie nicht mit Magie oder im Schutze der Magie töten können. Das gilt, den Himmeln sei Dank, selbst für die Schatten. «
Lizet hatte das wirklich nicht gewusst. Er räusperte sich. » Leider hat er sich nach der Tat wieder in den Schatten versteckt, und da mir bedauerlicherweise ein gewisser fein geschliffener Stein nicht zur Verfügung stand, konnte ich ihm nicht folgen, geschweige denn ihn verhaften. Aber ich gedenke das noch heute nachzuholen, wenn Ihr nichts dagegen habt, ehrwürdige Mischitu. «
» Ich habe allerdings etwas dagegen, Hauptmann. Der Gesandte wird selbstverständlich vorerst nicht angerührt! «
» Aber er ist ein Schatten! «
» Und er hat keine Ahnung, dass wir das wissen. Wir werden das zu unserem Vorteil nutzen. Ja, wir werden Merson benutzen, um gleich mehrere unserer Probleme zu lösen. «
» Und verratet Ihr mir, welche Probleme das sind, ehrwürdige Mischitu? «
Die Scholarin erhob sich von ihrem Stuhl und sah den Hauptmann an, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen. » Das ist Politik, Hauptmann, damit müsst Ihr Euch nicht belasten. «
» Dann kann ich gehen? « , fragte er verärgert.
» Solange Ihr nicht vorhabt, den Gesandten zu verhaften – sicher. Allerdings muss ich Euch dafür loben, dass Ihr seinen Namen herausgefunden habt. Das war bemerkenswert gute Arbeit, Hauptmann. Und ich bin sicher, Ihr werdet schon bald wieder einen wertvollen Beitrag zu unseren Plänen leisten. «
» Auch wenn ich sie nicht kenne? «
Die Ghula lachte. » Nun seid nicht gleich beleidigt, Hauptmann. Die Wände hier haben Ohren, wie man so schön sagt. «
» Dann wissen sie vermutlich mehr über diese Angelegenheit als ich « , erwiderte Lizet gallig.
Die Ghula wechselte das Thema: » Verratet mir eines, Lizet, warum habt Ihr damals unseren Orden verlassen? Ich habe Berichte gelesen, die mir sagen, dass Ihr als einer der hoffnungsvollsten jungen Scholaren unserer Gemeinschaft gesehen wurdet. Ich glaube, wenn Ihr geblieben wäret, würdet Ihr jetzt auf diesem Stuhl sitzen, und nicht ich. «
Lizet fand, dass das die Frau nichts anging, aber dann dachte er, es sei vielleicht eine gute Gelegenheit, die Scholarin in Verlegenheit zu bringen. Also begann er: » Ich war damals mit einigen Brüdern und Schwestern unseres Ordens in Melora unterwegs. « Er verschwieg, dass er sich freiwillig für diese Reise gemeldet hatte, weil er seinem Freund Galenes aus dem Weg gehen wollte. » Eigentlich waren wir auf dem Weg in die Bibliothek der Kaiserstadt, doch erreichte uns unterwegs die Nachricht, dass in einem unweit gelegenen Dorf eine Seuche ausgebrochen
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