Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
verfolgen. Hatte Vil schon geglaubt, die Soldaten hätten Chaos über das Viertel gebracht, so sah er nun, was Chaos wirklich bedeutete: Menschen schrien, rannten kopflos durcheinander, mittendrin ein Mann, der in Flammen stand. Niemand half ihm, die meisten versuchten, dem Feuer zu entkommen, nur einige – Vil wusste nicht, ob er sie für sehr tapfer oder doch nur für sehr dumm halten sollte – versuchten zu löschen, was doch nicht zu löschen war. Ein alles verheerender Brand war über die Stadt gekommen, ein Feuersturm, und niemand konnte ihn aufhalten.
» Bleibt zusammen « , rief Vil hustend, der sich mit den anderen einen Weg durch das Chaos auf den nächtlichen Gassen bahnte.
» Gib sie mir! « , rief Skari dem Stummen zu. Vil hatte tatsächlich kaum mehr auf Tiuri geachtet, seit er sie in den Armen von Purgus gesehen hatte.
Sie durften nicht anhalten, aber sie durften auch nicht weiter bergauf rennen, denn irgendwo dort oben würde ihnen eine Mauer den Weg versperren. Sie mussten nach Nordosten, Richtung Eisenviertel, dann vielleicht hinunter zum Meer.
Der Stumme setzte das Mädchen ab, das mit völlig leerem Gesichtsausdruck in die Flammen starrte. Skari umarmte Tiuri, flüsterte ihr etwas ins Ohr, und plötzlich löste sich der Krampf oder was immer Vils Schwester befallen hatte, und sie brach auf der Gasse zusammen.
Der Stumme hob sie auf, noch bevor Vil oder Skari etwas sagen konnten, wies mit dem Kinn nach Nordosten und rannte schon voran. Etliche Straßen später hielten sie an. Vielleicht war der Wind stärker geworden und wehte aus der richtigen Richtung, das Feuer schien jedenfalls nicht näher zu rücken. Aber auch hier, im Eisenviertel, waren die Straßen voller Menschen, die um Haus und Hof fürchteten und wissen wollten, was da im Schatten der Arena geschah. Irgendjemand schien das Chaos ordnen zu wollen, denn eine laute Stimme forderte die Leute auf, dem Feuer entgegenzutreten.
Vil nahm seine Schwester dem Stummen aus den Armen. Sie schien zu schlafen, vielleicht als einziger Mensch in der ganzen Stadt. Wenn er nach Süden blickte, konnte er die Arena schwarz vor dem rot leuchtenden Himmel sehen. Langsam zogen sie weiter, bis sie einen Platz mit einem Brunnen fanden.
Vil musterte die kleine Gruppe, die sich keuchend und mit rußgeschwärzten Gesichtern im Licht einer Laterne versammelt hatte. Da waren seine Freunde, der Metzger und seine Frau, der Schuhmacher und sein Sohn Carem, andere Nachbarn, der Schrecken stand ihnen im Gesicht geschrieben. Aber einer fehlte: » Sagt, Gabba, Pek, wo ist Sed? «
Gibean winkte nur keuchend ab, aber Peker sagte: » Er hat irgendwann kehrtgemacht, wollte die Leute dazu kriegen, das Feuer zu bekämpfen. «
» Dieser verfluchte Narr! Warum habt ihr nichts gesagt? «
» Er hat mich drum gebeten. Ich bin mir aber nicht sicher, ob er ein Narr ist, er ist vielleicht auch nur tapferer als wir. «
» Wenn er tot ist, wird ihm sein Mut nichts nützen « , fluchte Vil.
Vorsichtig setzte er seine Schwester auf den Mantel, den Peker für sie ausbreitete, und wickelte sie darin ein. Dann ging er hinüber zu Skari.
» Was ist da im Laden geschehen? « , fragte er leise.
Sie antwortete nicht.
» Das Feuer, warum hat Tiuri das gemacht, und vor allem wie? «
» Das habe ich nicht gesehen, Vil. «
» Du weichst mir aus. Als wir durch die Straßen rannten; es war doch, als würde das Feuer uns folgen. Und dann hast du mit ihr gesprochen – und es hörte auf. Was hast du gesagt – und was hat sie geantwortet? «
» Sie war nicht bei sich. Ich glaube, sie weiß gar nicht, was geschehen ist. « Skari seufzte. » Wenn ihr Haar nicht diese wundervolle dunkle Farbe hätte, dann würde ich sagen, sie ist eine von uns, eine Gesegnete. Aber ihr Haar ist schwarz, und ich hörte auch noch nie von einem Gesegneten, der solche Kräfte besessen hätte, der so ein Feuer entfesseln kann. «
» Du musst dich irren! « , rief Vil. Mühsam dämpfte er seine Stimme: » Es gab und gibt keine Zauberer in unserer Familie! Noch nie! « Und obwohl er es sagte, musste er doch daran denken, was man seinem Vater vorgeworfen hatte – dass er ein Hexer war, der mit böser Magie eine Mine zerstört und hunderte Menschen getötet haben sollte. Nein, das waren Lügen, mussten einfach Lügen sein. Es konnte, es durfte nicht sein, dass seine Schwester eine Hexe war!
» Wenn du willst, kann ich später mit ihr reden « , bot Skari an.
» Nein. Wenn sie sich nicht erinnert, dann ist es
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