Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
heute, Lizet, nicht heute. Heute haben wir andere Aufgaben. «
» Ich verstehe, Exzellenz. «
» Ihr seht aus, als wolltet Ihr noch etwas zu den Ereignissen dieses Tages anmerken, Hauptmann. «
Anmerken? Lizet konnte nicht fassen, wie kaltherzig Memnon zugelassen hatte, dass so viele Scholaren zu Tode kamen. Aber er sagte nur: » Nein, Exzellenz. «
» Ihr seid ein schlechter Lügner, Hauptmann, das macht Euch auch so wertvoll. Ich weiß, was Euch bewegt. Glaubt mir, ich bedaure zutiefst, dass so viele Scholaren heute den Tod fanden. Es waren kluge Leute, und das Wissen, das in der Akademie verbrannte, ist unersetzlich. «
Lizet schwieg.
» Nun werdet Ihr Euch fragen, warum ich trotzdem zugelassen habe, dass es geschah. Es war leider unvermeidlich. Dieser Orden schickte sich an, das Schicksal der Stadt in die Hände zu nehmen. Ihr wisst doch, dass es die Scholaren waren, die den Brand im Katzenviertel gelegt haben, oder? Sie hätten auch diesen Palast niedergebrannt, wenn er ihren Plänen im Wege gestanden hätte. Wenn Ihr so wollt, haben sie nur geerntet, was sie gesät haben. «
» Aber sie dem Pöbel zu überlassen, Exzellenz … «
» Nicht dem Pöbel, einer höheren Gerechtigkeit. Ist das nicht Euer Leitsatz, Lizet, dass niemand über dem Gesetz steht? Vielleicht hat das Gesetz hier seine Lücken, aber der Gerechtigkeit konnten die Scholaren nicht entkommen. «
» Ich verstehe, Exzellenz « , sagte Lizet, und er verstand es tatsächlich. Die Scholaren waren eine Bedrohung für die alte Ordnung der Stadt geworden. Aber zu viele Menschen waren heute gestorben, und der Archont hatte es einfach in Kauf genommen.
» Schön. Noch etwas, Hauptmann? «
» Nein, das heißt, was soll mit den Gefangenen geschehen, Exzellenz? «
» Das Übliche. Befragt sie, dann richtet sie hin. Es sind doch Verräter, nicht wahr? «
» Ja, Exzellenz. «
» Schön. Ich erwarte, dass ich mich auch weiterhin auf Euch verlassen kann, Hauptmann. «
» Natürlich, Exzellenz. «
Lizet war froh, als er den Palast verlassen konnte. Er hatte eine Menge Grausamkeit gesehen, dort draußen auf dem Platz und in den Gärten, aber nichts schien ihm so grausam wie das, was er dort drinnen gehört hatte.
Immer noch legten Soldaten Leichen auf dem Platz ab. Blass wie die Geister marschierten sie durch den Qualm, der von der niedergebrannten Akademie in beißenden Schwaden über das Pflaster zog. Der Wind schien gedreht zu haben.
Warum wollte der Archont, dass er den jungen Merson in Ruhe ließ? Lizet sah die endlosen Reihen der Toten, und er schämte sich fast, dass seine Gedanken nur um einen Mord und diesen einen Mörder kreisten.
Vil rückte den Fliederzweig zurecht, den er sich in das Knopfloch seines Wamses gesteckt hatte, und öffnete die Tür seines Arbeitszimmers.
» Was machst du denn hier? « , fragte Gibean überrascht. Er sprang auf und räumte Vils Platz.
Vil grinste. » Lass nur, ich nehme an, du wirst bald öfter dort sitzen, als dir lieb ist. Ich glaube nicht, dass ich noch oft hier sein werde. «
» Ich dachte, du hast deiner Braut inzwischen enthüllt, dass dir das Bamaal gehört? «
» Habe ich, aber dass sie es hinnimmt, heißt ja nicht, dass es ihr gefällt, oder? «
» Verstehe. Aber noch einmal – solltest du nicht auf dem Weg in den Tempel sein? Oder habe ich mich im Datum vertan? «
» Nein, der große Tag ist heute. Aber ich muss doch die Zeit bis zum Mittag irgendwie totschlagen, und ich denke, sie werden schon nicht ohne mich anfangen. «
» Unfassbar, dass du wirklich heiratest, Vil. Ich habe mich gerade erst daran gewöhnt, dass du jetzt ein Gremm bist. Auch wenn ich das mit der Adoption nicht so richtig verstanden habe. «
» Offenbar meinte man weiter oben, dass ich es mit so einem alten Name weit bringen kann, weiter jedenfalls als unter dem Namen Malakin. «
» Mir hat Malakin gut gefallen. Ich muss nur aufpassen, dass ich da nichts durcheinanderbringe, Menher Aretus-Aris-Malakin-Gremm. Hast du deiner Zukünftigen auch schon von diesen Namen und deinen früheren Heldentaten berichtet? «
» Natürlich nicht « , sagte Vil nachdenklich.
» Verstehe. « Gibean trat ans Fenster und öffnete es. » Unfassbar, wie die Zeit vergeht, oder? Mir kommt es vor, als ob es erst gestern gewesen wäre, dass wir hier standen und zusahen, wie der Mob den Tempelberg stürmte. Aber das war an einem trüben Herbsttag, und nun ist schon wieder Frühling! «
» Ja, manchmal scheint die Zeit zu fliegen « ,
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