Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
auf den Tempelberg, über den Obermarkt und an den großen Häusern des Perlenviertels vorbei. Die Wächter führten sie durch die Kaisergärten hinüber zur Festung. Als sich die mächtigen Torflügel hinter ihnen schlossen, begriff er allmählich, wie ernst die Lage war.
Sie wurden Männern übergeben, die die rotbraune Uniform der Stadtwache trugen. Diese führten sie über viele Treppen hinab und schließlich in einen schmucklosen, kalten Raum, wo sie von einem Mann erwartet wurden, der nicht zur Wache gehörte.
Vil kannte ihn von den Empfängen. Der Mann war jung und dennoch schon Kammerherr der Stadt. Sein Vater hatte geschäftlich viel mit ihm zu tun, allerdings wusste Vil nicht genau, welcher Art diese Geschäfte waren. Solche Dinge hatten ihn bisher nie interessiert. Es hatte mit den Minen zu tun, das wusste er immerhin.
» Menher Ajeler, seid Ihr hier, um diese Posse zu beenden? « , fragte Vils Mutter mit viel Bitterkeit in der Stimme.
Der Kammerherr schüttelte düster den Kopf. » Ich bedaure zutiefst, was hier geschieht, Doma Rohana, aber ich fürchte, ich kann nur wenig tun. «
» So? Sprecht Ihr da in jenem Geiste fester Freundschaft, den Ihr erst vor wenigen Wochen an unserem Tisch beschworen habt? «
» Ich wäre nicht hier, wenn es nicht so wäre « , sagte Ajeler, » denn eigentlich ist es mir verboten, mit Euch zu sprechen. Schließlich handelte Euer Mann auch in meinem Namen, und die Anklage gegen ihn hätte auch mich treffen können. «
» Wie praktisch, dass er vor Euch steht und den Bannstrahl des Geheimen Gerichtes abfängt « , zischte Rohana Merson.
» Ich verstehe Euren Zorn, Doma. Ich bin hier, um Euch einen Rat zu geben. Man wird Euch vermutlich ein Schiff anbieten – nehmt es! «
» Die Stadt verlassen? Um auf irgendeiner Insel im Süden dahinzuvegetieren? Niemals! Eine Gremm verlässt Xelidor nicht. «
Der Kammerherr seufzte. » Ich habe mir schon gedacht, dass Ihr es so seht, Doma Rohana. Nun, Ihr habt wohl ein paar Tage Zeit, es zu überdenken. Tut das, ich bitte Euch. Die Alternative wäre weitaus schrecklicher. «
Als er verschwunden war, ohne dass Vils Mutter ihn einer Antwort gewürdigt hätte, öffneten die Wachen eine niedrige Pforte.
» Was ist das? « , fragte Faras ängstlich, als er in die kahle Kammer mit ihren winzigen, vergitterten Fensterlöchern blickte.
» Euer neues Zuhause, edler Herr « , spottete die Wache.
Es war ein Loch, kalt und finster. Es gab weder Betten noch Stühle oder wenigstens einen Hocker, in einer Ecke gab es einen Abtritt für die dringenden menschlichen Bedürfnisse. Und in der anderen Ecke muffiges Stroh, auf dem sie schlafen sollten.
Vil stand unschlüssig in der Kammer und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte, und er sah, dass auch seine Mutter, die sonst nie in Verlegenheit geriet, für den Moment ratlos war. » Was sollen wir jetzt tun, Mutter? « , fragte er schließlich.
» Setzt euch erst einmal, Kinder. Und dann werden wir uns in Geduld fassen, bis dieses böse Spiel vorüber ist. «
» Aber was ist das für ein Spiel? « , fragte Tiuri.
» Politik, Kinder, aber das versteht ihr noch nicht. «
Vil war der Meinung, dass er es sehr wohl verstehen würde, und er bat seine Mutter später, als seine Geschwister eingeschlafen waren, noch einmal leise um eine Erklärung.
» Dein Vater hat sich Feinde gemacht, Viltor, Männer, die ihm, dem Fremden, seinen Aufstieg nicht gönnen. Nun denken sie, dass sie ihn vernichten können, aber sie irren sich. Sie irren sich sehr. Diese ganze Geschichte wird auf sie zurückfallen. «
» Aber worum geht es denn, Mutter? « , wiederholte er seine Frage.
» Du weißt, dass dein Vater Minenlizenzen gepachtet hat? «
Vil nickte, auch wenn ihm nicht klar war, was das genau bedeutete.
» Es war eine seiner Minen, in der das Unglück geschah. Es gab viele Tote, Bergleute, die ertrunken sind, als das Meerwasser in die Stollen eindrang. Du hast von den Unruhen gehört, Viltor. Es sind andere Bergleute, die nun keine Arbeit mehr finden, und jene in den kleineren Minen, die Angst haben und nicht mehr in die Stollen hinabwollen. Und auch daran gibt man deinem Vater wohl die Schuld. Er ist ein Fremder. Es ist immer leicht, einen Fremden zu beschuldigen. «
Ein Fremder? Vil kannte das Gefühl. Er lebte schon immer in Xelidor, und doch nannten ihn die anderen Jungs den Fremden. » Aber wer beschuldigt Vater? « , fragte Vil.
» Viele, Viltor. Und es sind viele, die das bedauern werden, so
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