Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
Geist war im Wasser, und das Wasser tastete über den Stein, suchte nach Rissen im Mörtel und fand sie, begann, die Steine frei zu spülen, die Mauer zu untergraben. Aber was war das? Das Wasser bewegte sich nicht, wie es sollte. Es zog sich zurück! Ured ächzte. Nein! Er murmelte uralte Beschwörungen, zwang das Wasser unter seinen Willen, zwang es, gegen seine Natur bergauf zu fließen, weiter die Mauer zu unterspülen. Aber es entzog sich, verschwand, versickerte. Er kämpfte. Immer weniger Wasser gehorchte seinem Willen. Aber die Mauer musste fallen! Er stöhnte, beschwor die Macht der Magie noch einmal, erneuerte seinen Angriff. Von ferne drangen Rufe an sein Ohr, die er nicht beachtete. Da, die ersten Steine verloren ihren Halt, die durchweichte Erde begann nachzugeben. Er hörte den Stein knirschen, das Holz ächzen. Nur noch ein wenig. Jemand schüttelte ihn. Er öffnete die Augen. Der Rahis stand vor ihm, schrie ihn an.
»W as?«, fragte er benommen.
»W as tut Ihr da? Wollt Ihr uns umbringen?«
Aus, dachte Ured. Er verlor die Verbindung zu den Elementen. Er blickte verwirrt zur Stadt hinauf. Die Mauer stand unbewegt, oder hatte sie sich gerade ein Stückchen geneigt?
Der Oramarer schrie ihn immer noch an.
Ured erhob sich. Erst allmählich verstand er, was der Mann ihm sagen wollte. Wasser! Überall aus dem Hang quoll Wasser in hellen Bächen hervor, stürzte sich den Hang hinab und wurde zu einem reißenden Gewässer, das sich unten ins Buschwerk ergoss, wo die Helmonter wie die Hasen vor den Fluten davonliefen. Faran Ured stand mit offenem Munde da und hatte keine Ahnung, wie das hatte geschehen können.
***
Shahila hörte Almisans schnelle Schritte, lange bevor er das Gemach erreichte. Sie gab Jamade einen Wink, sich in das Schlafgemach zurückzuziehen. Ihr Mann lag dort drinnen, er starb, und sie war zu schwach gewesen, es zu Ende zu bringen. Sie hatte sogar den vergifteten Wein weggeschüttet. Damit war es endgültig besiegelt– sie brachte es nicht über sich. Aber das erschien ihr vollkommen unwirklich, nein, un wichtig. Almisan. Er sollte ein Verräter sein? Das war unmöglich. Selbst die Geheimnisse der Kammer erschienen ihr plötzlich unbedeutend im Vergleich zu der Frage, ob Almisan seinen Treueschwur ihr gegenüber gebrochen hatte. Sie fror trotz des Mantels, den sie trug, und das lag nicht nur an diesem verfluchten, kalten Land mit seinem traurigen Herbst, das kam von innen. Sie sammelte sich, suchte Zuversicht. Es würde sich alles aufklären. Ein Missverständnis, mehr nicht.
Almisan riss die Tür auf. Er war gelaufen, sogar außer Atem geraten. »E s beginnt, Herrin. Die Truppen Eures Vaters sammeln sich zum Angriff.«
Shahila blieb stumm.
»E in Gutes hat die Sache, Hoheit, der Mob zieht seine Leute von den Barrikaden ab. Ich glaube, sie sammeln sich irgendwo, was ich nicht verstehe, denn sie wären besser beraten, jeden Mann, den sie haben, auf die Mauer zu schicken. Aber dort stehen nur sehr wenige Männer.«
Wieder sagte Shahila nichts.
Almisan schien endlich zu merken, dass etwas nicht stimmte, fuhr aber zögernd mit seinem Bericht fort: »U nsere Damater halten uns noch die Treue, doch murren sie. Bei ihnen macht das Gerücht die Runde, Meister Hamoch würde unten in den Katakomben Nekromantie betreiben. Ich weiß nicht, wo sie das herhaben, aber es mag sein, dass einigen von ihnen wirklich Quents Geist erschienen ist. Ihr seht, es läuft nicht sehr gut, Hoheit.«
Shahila nickte nur.
Almisan räusperte sich. »J edenfalls hat Hamoch seine kleinen Ungeheuer vorbereitet. Sie werden dem Feind eine böse Überraschung liefern. Atgath wird brennen, wenn Euer Vater es wirklich in die Hand bekommen sollte.«
Shahila lächelte plötzlich, obwohl ihr so gar nicht danach zumute war. »I ch habe auch Neuigkeiten, Almisan«, sagte sie und rief Jamade herein.
»A h! Die Schattenschwester. Endlich! Hattest du Erfolg?«
»I ch habe das Wort, Meister.«
»U nglaublich«, murmelte der Hüne. »I n letzter Sekunde. Dann sollten wir aufbrechen und…«
»I ch muss erst etwas wissen, Almisan«, unterbrach ihn Shahila.
»H oheit, wir sollten keine Zeit verlieren, denn vielleicht finden wir in der Kammer…«
Wieder fiel ihm Shahila ins Wort: »J amade, erzählt ihm, wie Ihr in die Burg gelangt seid.«
Almisan runzelte die Stirn. Ganz offensichtlich verstand er noch nicht, was hier vorging.
»I ch benutzte Euer Seil, Meister, gestern Nacht. An der Ostseite der Burg.«
Der Hüne
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