Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
sollte.
»H adogan«, flüsterte Gajan. Mit einem lauten Seufzen geriet die Mauer ins Wanken. Wie gelähmt blieb Gajan stehen, sah hinauf zu den Zinnen, die sich ihm plötzlich zuneigten. Die Männer oben schrien angstvoll auf. Einer sprang, die anderen krallten sich in die Steine. Der Turm! Gajan sah ihn wanken.
Hasfal packte ihn plötzlich am Kragen und zog ihn zurück. »A us den Türmen, Männer, aus den Türmen! Die Mauer stürzt ein!«
Es war zu spät. Gelähmt vor Entsetzen sah Gajan, wie der gedrungene Turm, in dem Hadogan doch in Sicherheit hätte sein sollen, sich neigte, dahin, wo die Mauer schon in sich zusammengefallen war. Der Boden unter ihren Füßen brach weg, das ganze Erdreich schien ins Rutschen geraten zu sein. Mächtige Brocken lösten sich aus der Mauer, schlugen neben Gajan aufs Pflaster. Er konnte seinen Blick nicht abwenden, musste zusehen, wie der Turm in sich zusammensackte. Oben und unten stolperten Männer aus den Pforten, dann: ein dutzendfacher entsetzter Schrei, als er plötzlich förmlich implodierte, in einer großen Wolke aus Staub und Stein in sich zusammensackte.
Irgendetwas traf Gajan an der Brust. Er wurde gegen eine Hauswand geschleudert und bekam keine Luft mehr. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er kam wieder hoch, hörte Hasfal mit sich überschlagender Stimme Befehle brüllen und wankte dorthin, wo eben noch der Turm gewesen war. Er taumelte über Steine und Schutt, rang um Luft, atmete Staub ein, hustete und stolperte über Trümmer und dann auch über zerquetschte Gliedmaßen. Er sah Gestalten im Staub, Soldaten aus dem anderen Turm, die den Schuttberg erklommen, mit gezogenen Schwertern. Was wollten sie mit ihren Schwertern? Gajan stolperte weiter, riss sich die Fingernägel ab bei dem Versuch, Schutt mit bloßen Händen zur Seite zu räumen. »H adogan«, flüsterte er, dann schrie er es heraus. Aber Hadogan antwortete nicht. Stattdessen erscholl draußen vor der Stadt der vieltausendfache Schlachtruf der Helmonter, die sich anschickten, Atgath zu erstürmen.
***
Shahila lief eilig mit Jamade die Treppen hinauf. Ihr war kalt, und sie fühlte sich leer. Wie lange hatte sie auf diesen Augenblick hingearbeitet– und jetzt fühlte es sich bedeutungslos an. Almisan hatte sie verraten. Sie war erschüttert, tiefer, als sie sich das je hatte vorstellen können. Es war, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen, aber sie lief trotzdem weiter. Almisan, Hado, die schöne Aina, der alte Quent, sie alle waren gestorben, weil sie zwischen sie und ihr Ziel geraten waren. Selbst Beleran würde bald sterben. Nun musste sie die Kammer öffnen, sonst wären all diese Taten, die Risiken, die sie eingegangen war, umsonst gewesen.
Auf dem Weg zu den Gemächern Hados und damit zur geheimen Kammer kam ihnen plötzlich ein Mann entgegen, ein Damater. Er schien ihnen den Weg verstellen zu wollen. »A uf ein Wort, Herrin«, rief er ihr zu.
»N icht jetzt, Atman Rugo«, antwortete Shahila ungehalten. Sie hatte keine Zeit, sich mit dem Hauptmann der Damater herumzuschlagen.
»U nbedingt jetzt, Herrin, denn ein Später wird es nicht geben.«
Jamade legte die Hand auf ihren Dolch, aber Shahila gab ihr einen Wink, und sie ließ ihn stecken. »N un, was ist so wichtig, Atman?«
»I ch sah eben Euren Zauberer, den Mann namens Hamoch. Er führte eine Gruppe von Wesen in den Hof. Ich dachte, es seien Kinder, aber es waren keine Kinder.«
»S chön. Redet mit Hamoch, wenn Ihr wissen wollt, was es damit auf sich hat.«
»D as habe ich, doch wollte er mir keine andere Auskunft geben als die, dass er in Eurem Namen handelt. Und ich bin zwar kein Zauberer meines Stammes, doch ich erkenne die schwarze Seite der Magie, wenn ich sie sehe.«
»U nd was wollt Ihr nun von mir?«, fragte Shahila.
»I ch wollte Euch sagen, dass wir die Burg verlassen, Herrin.«
»W ie?«
»E s ist in dieser Burg nicht genug Platz für uns und einen Totenbeschwörer. Wir werden über die Ostmauer verschwinden. Wenn Ihr Glück habt, wird der Feind nicht so bald bemerken, dass wir fort sind.«
»I hr wollt mich im Stich lassen, Atman?«, zischte Shahila.
»N icht wir haben den Vertrag gebrochen, Herrin.« Er zog einen schweren Beutel aus dem Gürtel. »D as Silber, das von unserem Sold noch übrig ist.« Er hielt es ihr hin, aber als sie keinen Finger rührte, ließ er es achselzuckend fallen.
Shahila musste sich zusammenreißen, um dem Mann nicht die Augen auszukratzen. Almisan war tot– und er kam ihr
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