Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
verriet ihm, dass er sie getroffen hatte. Er griff an, sie war nicht mehr da. Aber dort! Blut tropfte auf den Boden, im Dämmerlicht gerade noch zu erahnen. Er wünschte sich, es wäre heller. Er bereute seinen Wunsch sofort, denn die Lampe flammte plötzlich aus dem Nichts auf und flog auf ihn zu. Er sprang zur Seite. Sie zerbarst auf dem Boden, und brennendes Öl spritzte in alle Richtungen. Er riss die Arme hoch, um sein Gesicht zu schützen, und spürte, wie es ihm die Haut verbrannte. Es roch nach verbranntem Fleisch und versengtem Stoff. Kleine Flammen leckten über den alten Teppich, der einst vielleicht wertvoll gewesen war. Sahif spürte die Wut, die in ihm aufstieg, aber er durfte nicht wütend werden. Er zog sich zur Seite zurück und legte sich einen neuen Plan zurecht. Jamade war eine zähe Gegnerin. Er durfte sie nicht länger unterschätzen. Er wurde kalt, ganz kalt. Er musste sie in die Enge treiben und mit seiner überlegenen Kraft überwältigen.
Plötzlich schienen sich die Dinge zum Schlechten zu wenden, denn schwere Schritte kamen rasch näher, und dann stand Almisan an Shahilas Seite.
»K omme ich zu spät?«, knurrte der Hüne. »I n die Kammer, Hoheit, ich kümmere mich um den da.« Dann verschwand er in den Schatten.
Sahif fluchte. Also doch, Almisan! Zwei gegen einen, das sah jetzt böse aus. Er zog sich zurück. Aber etwas in Shahilas Blick ließ ihn zögern. Ihre Nervosität war in Entsetzen umgeschlagen. Sie hatte den Hünen angestarrt wie ein Gespenst! Er fluchte noch einmal, als er die Täuschung durchschaute. Jamade!
Shahila hatte sich wieder gefasst, sie rannte durch die Kammer hinüber zur geheimen Tür. Aber Sahif war schneller. Er fing sie ab und wollte ihr eine der Haarnadeln aus dem hochgesteckten Haar reißen. Shahila schrie auf. Doch er bekam sie nicht zu fassen. Er war völlig verblüfft. Er hatte die Nadel doch praktisch schon in der Hand gehalten. Dann dämmerte ihm, dass das Amulett Shahila auch vor Gewalt mit der bloßen Faust schützte– und offenbar sogar ihre verfluchten Haare. Er duckte sich gerade noch rechtzeitig, um Jamades nächstem Angriff auszuweichen. Er setzte ihr nach. Er würde sie erwischen, früher oder später– oder sie ihn. Einer von beiden würde irgendwann den entscheidenden Fehler machen und war dann so gut wie tot. Es war nur eine Frage der Zeit.
Er lauerte. Da– ein Tropfen Blut fiel aus dem Nichts auf den Teppich. Sahif sprang. Er ahnte, in welche Richtung Jamade ausweichen würde. Ein gedämpfter Schrei verriet ihm, dass er sie erwischt hatte, wenn auch nur leicht. Er setzte ihr nach, trieb sie durch den Raum. Sie wehrte sich, er spürte den Luftzug ihres Messers. Aber er hatte die größere Reichweite, die Kraft und die Erfahrung auf seiner Seite. Er wich ihren Attacken aus, griff seinerseits an und trieb sie mehr und mehr in die Enge. Dann, als das Spiel von Vorstoßen und Ausweichen durchschaubar wurde, wagte er den entscheidenden Angriff. Er wich nicht zurück, blockte ihren Schlag ab, der immer auf derselben Höhe erfolgte, und stieß zu. Widerstand! Er hatte sie endlich! Sie schrie auf, er blockte den nächsten Angriff ab, dann schoss seine Linke vor. Er hatte sie! Ihren Arm, er hatte ihren rechten Oberarm erwischt. Er packte mit aller Kraft zu. Sie versuchte, sich loszureißen, er hielt sie eisern umklammert, drängte sie gegen die Wand. Er wollte zustoßen, aber ihre Linke fing seine Messerhand ab. »Z eig dich, Schlange«, zischte er und ließ die Schatten fallen. Sie folgte dem Beispiel. Da standen sie keuchend und rangen miteinander. Aus dem Augenwinkel sah Sahif, dass seine Schwester auf der anderen Seite des Raumes stand. Gleich würde es zu Ende sein. Jamades rechter Arm blutete, ihr Gesicht war von Anstrengung verzerrt. Unerbittlich näherte sich seine Klinge ihrem Hals. Sie gab alles, aber gleich würde es vorbei sein.
Plötzlich fühlte er eine zweite, unsichtbare Hand, die ihn am rechten Arm packte. Almisan also doch? Er keuchte und verdoppelte seine Anstrengung, aber langsam, Fingerbreit um Fingerbreit, entfernte sich seine Klinge von Jamades Hals.
»I ch wäre nicht damit einverstanden, wenn du sie töten würdest, junge Natter«, flüsterte eine freundliche Stimme. Dann wurde der Sprecher sichtbar.
»M eister Iwar!«
»G ebt Frieden, beide. Sofort!«, befahl der alte Lehrmeister.
Sahif zögerte. Noch war sein Messer nicht weit von Jamades Hals entfernt. Meister Iwar sah zwar aus wie fünfzig, musste aber doch
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