Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
an sein Ohr, aber er hörte sie kaum.
Plötzlich fühlte er sich an der Schulter gepackt. »N ein«, schrie er. »N ein! Mein Sohn, da unten ist mein Sohn.« Er wehrte sich verzweifelt gegen die starken Fäuste, die ihn von Hadogan fortrissen, klammerte sich an die Hand, aber die anderen waren stärker. Wie betäubt fühlte er, dass man ihn hinstellte, als sei er eine Puppe, die keine Gewalt über die eigenen Glieder hatte. Da waren Männer auf Pferden, aber im Gegenlicht konnte er nur dunkle Umrisse erkennen.
»N ein«, rief eine barsche Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam, »i ch will nicht, dass die Burg angegriffen wird. Wir wollen Shahila Zeit geben, sich zu unterwerfen. Genug jetzt! Und wen haben wir hier?«
»D as ist Prinz Gajan, Vater«, antwortete eine viel unangenehmere Stimme. »D er rechtmäßige Herzog der Stadt.«
»T atsächlich, ich hätte ihn fast nicht wiedererkannt. Und was jammert er da?«
»S ein Sohn scheint unter den Trümmern begraben zu liegen.«
»I ch würde sagen, dass ich mich freue, den Botschafter des Seebundes wiederzutreffen, aber das wäre unter diesen Umständen wohl unangemessen«, sagte die barsche Stimme. Gajan blinzelte. Immer noch brannten ihm Rauch und Staub in den Augen. Aber da waren Reiter, dunkle Gestalten vor dem strahlenden Himmel.
»U nd der andere?«, fragte die Stimme.
»D as ist General Hasfal, Vater.«
»S ieh an, der Fürst und der Verteidiger der Stadt, beide lebendig in unserer Hand. Gut gemacht, Algahil.«
»D anke, Vater. Was soll mit den beiden geschehen?«
»V ersorgt die Wunden des Generals und sperrt ihn ein. Wir werden ihn vielleicht später für irgendetwas von Wert eintauschen können, wenn denn der Seebund überhaupt einen Mann zurückhaben will, der erst eine Schlacht und dann eine Stadt verliert.«
»U nd Gajan?«
»E r steht vor Shahilas Gemahl in der Thronfolge, nicht wahr?«
»E r ist der rechtmäßige Herzog von Atgath, Vater.«
»D ann tötet ihn. Und weiter jetzt!«
Die Reiter verschwanden, und Gajan bemerkte es kaum. Hadogan war tot. Seine Frau ebenfalls, seine beiden anderen Söhne, Taman und Hisam, waren mit ihr im Meer versunken, so wie sein Bruder Olan. Ja, tot, das schien ihm gar nicht das Schlechteste. Er würde wieder bei ihnen sein. Er lächelte für einen Augenblick, aber dann dachte er an Kumar, der in der nächsten Welt auf ihn wartete. Ja, der Rudersklave, den er ermordet hatte, schien schon dort zu stehen, auf ihn zu warten, um ihn an der Grenze zurückzuweisen. »N ein! Kumar, nein!«, flüsterte er, und er flüsterte es immer wieder, auch noch, als ihm unerträglicher Schmerz die Eingeweide zerriss und er dann zusehen musste, wie sein Blut sich aus seinem aufgeschlitzten Bauch in zuckenden Stößen über die Trümmer der Mauer seiner Stadt ergoss.
***
Bahut Hamoch rieb sich nervös die Hände. Die Homunkuli waren bereit. Sie standen in Zweierreihe stumm im verlassenen Burghof. Esara war nicht da. Sie war ihm aus dem Weg gegangen, wollte nicht mit ihm reden, ihm nicht helfen. Also begutachtete er selbst noch einmal die Kapuzen, die seine Geschöpfe auf den ersten Blick wie kleine Kinder wirken ließen. Eine Krähe krächzte vom Tor. Hamoch zögerte. Wo waren die Damater, die doch eigentlich die Mauer bewachen sollten? Waren sie davongelaufen? Einerlei, er wusste, was er zu tun hatte.
Rahis Almisan hatte ziemlich eindeutige Anforderungen gestellt. Er würde ihn nicht enttäuschen. Und vielleicht, vielleicht würde er endlich die Anerkennung bekommen, die er verdiente. Hamoch schüttelte den Kopf über sich selbst. Er würde nicht lange genug bleiben, um sich loben zu lassen. Er ging die Reihen ab, gab jedem seiner Geschöpfe von der Flüssigkeit zu trinken und fragte sich, ob die Homunkuli wussten, was ihnen bevorstand. Es war schwer zu erkennen, denn ihre kleinen Gesichter mit den zu großen blassen Augen waren ausdruckslos, und ihre lippenlosen Münder verrieten niemals, nicht einmal durch das kleinste Zucken der Mundwinkel, Ärger oder Freude.
»W artet hier«, sagte er. Er musste das Burgtor öffnen, und er hatte keine Ahnung, ob er das schaffen würde. Es gab einen schweren hölzernen Riegel, baumstammbreit, und als er vergeblich versuchte, ihn aus den Halterungen zu heben, ging ihm auf, dass er ein Problem hatte. Es gab auch eine kleine Pforte, eingelassen in das große Tor, aber die war abgeschlossen, und er hatte keinen Schlüssel. Er ächzte, stöhnte, aber er konnte das schwere Holz immer nur um
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