Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
den Zusammenhang zu erahnen. »U mso besser«, murmelte er. Er fand ein Buch auf dem Tisch liegend. Es war schwarz, und als er es neugierig aufschlug, sah er nichts anderes als ebenfalls schwarze, völlig leere Seiten. »N a so was, von dir habe ich gehört«, murmelte er.
Er hob das Buch auf und ging hinüber zum Becken. Ja, darin schwamm etwas, was vielleicht vor kurzem noch ein Mensch gewesen war. Es stank erbärmlich. Er warf das Buch in die Brühe. Es zischte, und das Pergament begann sich zu zersetzen.
»B esser«, meinte Ured. Er sah sich weiter um. Er brauchte etwas, einen Gegenstand, etwas Besonderes, das er dem Padischah als magisches Artefakt aus der geheimnisvollen Kammer anbieten konnte.
Plötzlich hörte er ein leises, flehendes Krächzen. Er fand und öffnete die Kammer, aus der es drang. Der Geruch verschlug ihm den Atem. Und da kauerte eine fast zum Skelett abgemagerte Greisin in der Ecke. Diese Frau war alt, älter als Protektor Pelwa, vielleicht so alt wie er selbst. Sie war ein Haufen Knochen in einem hässlichen faltigen Sack, und sie war in Kette mit magischen Symbolen gelegt. Ihre gelben Augen starrten ihn gierig an. »B lut, gebt mir Blut. Ich werde Euch reich belohnen!«
Erst jetzt erkannte Ured, dass der Leib dieser Frau von einem dicken weißen Stab durchbohrt war. Eine dünne Kette voller magischer Zeichen umschlang ihn und schien dafür zu sorgen, dass sie ihn nicht herausreißen konnte.
»W er seid Ihr?«, fragte er.
»N iemand, nur eine arme Gefangene. Ich bitte Euch, Herr, das Blut!«
Ured lachte. »N iemand? Ein Niemand, der in magische Ketten gelegt wird? Ein Niemand, der mit durchbohrter Brust weiterlebt?«
»M agie, dieser Stab ist böse Magie, Herr. Gebt mir Blut, und dann zieht ihn hinaus. Dann werde ich Euch alles erklären.«
Faran Ured kratzte sich am Kinn. »D er Stab ist magisch, sagt Ihr?«
Die Greisin nickte eifrig, winkte ihn heran. »W enn Ihr mich befreit, Herr, wenn Ihr mir Blut gebt, dann werde ich Euch verraten, welche Art Magie in diesem Stab wohnt.«
Ured betrachtete sie nachdenklich. Eine Nekromantin, ohne Zweifel, die meisten von denen, die er bisher aus diesem Orden getroffen hatte, kämpften mit dunklen Zaubern gegen das Alter. Aber keiner erreichte auch nur annähernd so viel, wie er erreicht hatte– als er den Ring noch gehabt hatte. Seine Miene verdüsterte sich.
»W isst Ihr, Hexe, im Grunde genommen ist es völlig unerheblich, welche Art von Magie diesem Stab innewohnt. Jedenfalls für meine Zwecke.«
»I ch mache Euch reich, Herr, ich mache Euch unsterblich! Befreit mich nur!«
Ured zuckte mit den Achseln und löste die Ketten. »D anke, aber unsterblich war ich schon.«
Dann setzte er ihr einen Fuß auf die Brust und riss den Stab heraus. Die Kette zerbrach ganz leicht. Die Greisin röchelte, sah ihn mit gelben Augen noch einmal böse an. Dann brach ihr Blick, und sie sackte kraftlos zusammen. Ured betrachtete sie. Er war sich nicht sicher, ob sie wirklich tot war, aber es war ihm auch gleich. Er betrachtete den Stab. Er war weiß, aus vielen Stücken zusammengesetzt. Knochen? Er war aus Knochen? Ured spürte keinerlei Magie, aber das lag leider nicht unbedingt an dem Stab. Da, die Greisin bewegte sich noch. Ihre Hand kroch über den Boden. Da stand eine Phiole mit einer dunklen Flüssigkeit auf den Steinen. Blut? Er zuckte mit den Achseln und beschloss, die Frau ihrem Schicksal zu überlassen.
Er kehrte ins Laboratorium zurück und reinigte seine Beute vorsichtig mit etwas Wasser. »K nochen sind vielleicht nicht gut«, murmelte er nachdenklich. »E lfenbein. Genau, ab jetzt bist du aus Elfenbein.« Er betrachtete das Stück. Jetzt, gereinigt, sah es geheimnisvoll und magisch aus. Auf jeden Fall war dieser Stock alt und geheimnisvoll. Es mochte ausreichen– oder auch nicht.
Es klang Lärm durch die Burg. Offenbar waren die Helmonter dabei, sie zu plündern. Er musste sich beeilen, denn nach den Ereignissen in der Stadt konnte es zu Missverständnissen kommen, wenn sie ihn im Laboratorium eines Totenbeschwörers erwischten.
Er mahnte sich zur Besonnenheit, der schwierige Teil lag doch noch vor ihm: Er griff in seine Tasche und fand das vielfach umwickelte Kästchen mit dem besagten Gift. Er zog den Handschuh an, den er ausschließlich für diesen Zweck verwendete, nahm von der Paste, löste sie in Wasser und verrieb sie mit Bedacht auf dem beinernen Stab. Der Lärm aus der Burg schien näher zu kommen. Ured atmete tief durch, wartete,
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