Der Prinz im zerbrochenen Spiegel (Die Märchen um Zwergenkönig Jetts Söhne)
Bea errötete heftig und tat, wie ihr geheißen. Danach beugte Devlin das Knie vor dem König und der Königin.
"Ich bedauere, dass meine Pilgerreise, die ich aus dringenden gesundheitlichen Gründen vornehmen musste, so viele Missverständnisse ausgelöst hat. Wenn ich davon gewusst hätte, wäre ich natürlich sofort zurückgekehrt, um sie auszuräumen. Ich liebe meine Frau sehr und nichts läge mir ferner, als sie zu verbannen. Da ich sie nicht auf meine Reise mitnehmen konnte, dachte ich, dass sie in der Geborgenheit ihres Elternhauses am besten aufgehoben sei. Und nun, bei meiner Rückkehr, kamen mir böse Gerüchte zu Ohren, die über Bea gesprochen wurden."
Rainer nahm seine Worte mit einer großzügigen Geste entgegen. Devlin erhob sich wieder und wandte sich erneut Bea zu: "Verzeihst du mir, mein Liebling?"
Sie nickte stumm. Er reichte ihr die Hand. "Dann lass uns gehen, damit wir noch vor dem Abend im Zwergenreich sind."
Bea legte ihre Hand in die seine und folgte ihm. Als sie den Thronsaal verlassen hatten und allein über die Flure wanderten, ließ Devlin ihre Hand wie eine heiße Kartoffel fallen. "Bist du bereit oder benötigst du noch etwas aus deinem Zimmer?"
"Ich bin reisefertig", hauchte Bea.
"Dann lass uns zu unser Kutsche gehen."
"Kannst du uns nicht blinzeln? Das würde doch viel schneller gehen."
"Kein Zwerg vermag es, eine Last von einer Kutsche und drei Wagen, beladen mit deinen vielen Koffern, von hier ins Zwergenreich zu blinzeln", erklärte Devlin ihr mit einer Stimme, als habe er ein kleines Kind vor sich. "Außerdem werden viele Menschen am Wegesrand stehen und mit eigenen Augen sehen wollen, dass wir beide wieder glücklich miteinander vereint sind."
"Oh!", sagte Bea nur.
"Und wehe, du machst nicht den Eindruck, die glücklichste Frau der Welt zu sein!"
Bea lächelte während der gesamten Dauer der Fahrt in der offenen Kutsche, bis ihre Gesichtsmuskeln schmerzten. Sie war froh, als sie im Zwergenreich ankamen und Devlin sie endlich in seine Wohnung führte. Er wies ihr ein Zimmer zu, dass weit von seinem Schlafzimmer entfernt lag. Fragend blickte sie ihn an.
"Gefällt es dir nicht?", fragte Devlin . "Deine Schwester Diana hat es für dich eingerichtet."
"Es ist sehr schön, aber weshalb schlafen wir nicht zusammen?"
Devlin lachte freudlos auf. "Ich habe meine Lektion gelernt. Wenn du noch etwas benötigst, Speisen oder Getränke vielleicht, klingele einfach nach den Dienern. Außerdem hast dir Diana eine ihrer Zofen herübergeschickt. Du hast also auch jemanden, der dir bei deiner Kleidung behilflich ist. Hast du noch eine Frage?"
Bea schüttelte stumm den Kopf. Ohne weiteren Gruß ließ Devlin sie allein. In dieser Nacht weinte sich Bea in den Schlaf. Ihr Leben im Zwergenreich wurde noch einsamer, als es zuvor im Schloss ihres Vaters gewesen war. Die Zwerge hatten ihr nicht vergeben, was sie Devlin angetan hatte. Niemand aus seiner Familie wollte etwas mit ihr zu tun haben. Hin und wieder traf sie sich mit ihrer Schwester Diana, die jedoch als Königin in zahlreiche Pflichten eingebunden war und sich nur selten um Bea kümmern konnte. Das Zwergenschloss war bei seiner Erbauung in Fels gehauen worden. Es gab in ihm nicht viele Fenster zur Außenwelt. Natürlich besaßen die Gemächer des Königs Fenster im Überfluss, um die menschliche Königin zu erfreuen. Seine Geschwister allerdings mussten sich mit sehr viel Weniger zufrieden geben. Devlins Wohnung, so groß und komfortabel sie auch war, hatte nur ein einziges Außenfenster. Es lag in dem Wohnraum, der seinem Schlafzimmer vorgelagert war. Bea hatte Hemmungen, diesen Raum zu betreten, aber die Sehnsucht nach etwas Tageslicht wurde immer stärker, bis sie endlich wagte, Devlin darauf anzusprechen. Er gestattete ihr, sich in seinem Refugium aufzuhalten, solange er tagsüber seiner Arbeit als königlicher Waffenschmied nachging. So saß Bea zunächst stundenlang vor diesem Fenster und starrte in die Außenwelt, ihren Gedanken nachhängend. Bis sie mutiger wurde und den Raum zu erforschen begann. Sie tastete über Buchrücken und nahm das eine oder andere Buch in die Hand. Alle waren in einer Sprache geschrieben, die sie nicht entziffern konnte, was Bea bedauerte, denn Devlin hatte viele Bücher. Das Lesen hätte ihr die Langeweile vertreiben können. Die Wände waren mit zahlreichen Schwertern der unterschiedlichsten Größe geschmückt. Vorsichtig tastete sie über das Metall. Es waren Stahlschwerter aus einer besonderen
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