Der Prinz im zerbrochenen Spiegel (Die Märchen um Zwergenkönig Jetts Söhne)
übrigens nicht in meinem Gehirn gelesen, dass ich meine Frau seit neun Monaten nicht mehr gesehen habe? Sie verabscheut mich."
"Ihr liebt sie mehr denn je."
"Ja!", flüsterte Devlin .
"Kleidet euch jetzt wieder an. Der Diener wird euch zu einem der Gästezimmer führen."
"Könnt ihr nicht sofort mit der Prozedur beginnen?"
"Morgen!", beharrte Bellasier . "Ich muss noch meditieren, damit ich euch nicht versehentlich töte. Außerdem wird mir mein bester Schüler assistieren. Und es ist auch für euch besser zu schlafen. Die Prozedur wird sehr schmerzhaft werden."
"Ich werde jeden Schmerz ertragen."
Am Vormittag des nächsten Tages wurde Devlin erneut in das Behandlungszimmer geführt. Bellasier stellte ihm einen hübschen jungen Zwergenmann mit dem Namen Odo vor, der als Assistent fungieren würde. Wieder musste sich Devlin entkleiden und auf die Behandlungsliege legen. Odo strich ihn überall mit einer stark riechenden Flüssigkeit ein. "Diese Substanz säubert eure Haut, mein Prinz, damit sie sich durch die Behandlung nicht entzündet."
"Ich habe heute morgen gebadet", sagte Devlin beleidigt.
"Es gibt gefährliche Partikel, die kleiner sind, als ihr mit dem Auge erkennen könnt. Wir Heiler nennen sie Keime."
"Aha!"
"Und nun werde ich alle Narbenwülste von eurer Haut abschneiden und die Wunden sogleich mit einem Zauber versiegeln. Ich beginne natürlich mit unwichtigeren Stellen eures Körpers. Euer Gesicht hebe ich mir bis zum Schluss auf, wenn ich mit dem Skalpell geschmeidig geworden bin und abschätzen kann, wie tief ich schneiden muss. Seid ihr bereit, den Schmerz zu ertragen?"
"Jederzeit!"
"Meister, weshalb betäubt ihr den Prinzen nicht vorher durch einen Zauber?"
"Weil die Anwendung einer jeglichen Magie bei diesem Mann mit einem hohen Risiko verbunden ist", antwortete Bellasier .
"Aber wie wollt ihr dann die Wunden mit Magie schließen?"
"Ich werde ihn selbst als Quelle anzapfen und ihn mit seiner eigenen Magie behandeln. Damit vermeide ich die Gefahr einer weiteren Überdosierung. Leider hat sich die Magie so sehr in seinem Körper festgesetzt, dass es schwierig und für mich gleichermaßen wie für ihn schmerzhaft sein wird, sie ihm zu entreißen. Aber dies ist die einzige Möglichkeit, dem Prinzen zu helfen."
Der Heiler machte sich an die Arbeit, immer mit Odo an der Seite, der mit ausgekochten Tüchern das Blut von den Wunden tupfte, die der Meister seinem Patienten zufügte, indem er überflüssiges Narbengewebe wegschnitt . Die Prozedur wurde noch viel anstrengender als erwartet. Bellasier hatte für die Narbenbehandlung von Devlin zwei Tage einkalkuliert, einen Tag für dessen Rückseite und einen weiteren für dessen Vorderseite. Stattdessen benötigte er eine Woche. Danach gönnte sich der Heiler eine einmonatige Erholungszeit. Devlin , der ein Gästezimmer im Herrenhaus bezogen hatte, wartete ungeduldig darauf, dass es weiterging. Jeden Morgen stellte er sich nackt vor den Spiegel und bewunderte seine neue Haut. Noch war sie sehr druckempfindlich, und sie würde auch niemals makellos sein. Man würde immer sehen, dass sie einmal verbrannt worden war. Aber all die hässlich entstellenden Wülste und Verwachsungen waren verschwunden. Odo überraschte ihn eines Tages bei seinen Selbstbetrachtungen.
"Wir haben gute Arbeit geleistet, was?!", sagte er fröhlich.
"Ja!", pflichtete ihm Devlin lächelnd bei.
"Darf ich ein Nackt-Portrait von euch anfertigen, wenn die Behandlung beendet ist?
Verwundert starrte Devlin den Jüngling an. "Nackt? Weshalb wollt ihr einen hässlichen Mann zeichnen?"
"Ihr seid nicht hässlich."
"Vielleicht bin ich nicht mehr so hässlich wie früher. Aber selbst dann, wenn Meister Bellasier die Behandlung fortgesetzt und an meinen Knochen gewirkt haben wird, werde ich immer noch entstellt sein."
"Ihr habt doch derzeit ohnehin nichts zu tun, mein Prinz. Sitzt mir eine Weile Modell. Ich werde ein paar Skizzen von euch machen, und wenn sie euch nicht behagen, vergessen wir die Sache."
Obwohl Devlin ablehnen wollte, hörte er sich plötzlich ja sagen. Es faszinierte ihn, dass es jemanden gab, der seinen entblößten Körper ansprechend genug fand, um ihn zeichnen zu wollen. Odo macht zahlreiche Skizzen von ihm in allen möglichen Körperhaltungen und Perspektiven. Derweil erholte sich Bellasier von seinen Strapazen und setzte die Behandlung fort. Es gelang ihm, beide Arme Devlins zu richten und auch noch seinen Beinen ein gefälligeres Aussehen zu geben, auch wenn er diese nicht
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