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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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der Tour zurück ein wenig an Tempo zulegen, da Tarvish es sie deutlich spüren lassen würde, wenn sie länger als vierzig Minuten fort war. Er mochte es überhaupt nicht, auf sein Frühstück warten zu müssen, und würde dann auf die Fensterbank klettern und jeden ankläffen, der am Haus vorbeikam – wobei der lange graue Bart vor Empörung zitterte. Da sein Augenlicht leider merklich schwächer geworden war, hatte er dabei bereits einmal einen Orchideentopf auf ihr cremefarbenes Sofa gestoßen. Und so kam es, dass Michelles Rundenzeit von Tag zu Tag besser wurde – aus Angst davor, was sie bei ihrer Rückkehr wohl vorfinden würde.
    Tarvish liebte geregelte Tagesabläufe genauso sehr wie Michelle. Er döste gern, bis Michelle von ihrer Morgenrunde zurück war, und lief dann kurz durch den Garten, um sein Geschäft zu erledigen und alles zu beschnuppern, während sie unter der Dusche war. Danach frühstückten sie zusammen, und Michelle erstellte ihre tägliche To-do-Liste. Anschließend ging es auf zum Laden, wo Tarvish Anna und die Kunden bis sechs Uhr abends bewachte. Nach einem anstrengenden Arbeitstag voller Streicheleinheiten und heimlicher Leckerlis, die ihm gefüttert wurden, ging er mit Michelle nach Hause und machte es sich in seinem Körbchen unter dem Tisch bequem, während sie im Internet nach neuen Lieferanten suchte.
    Keiner von ihnen beiden legte gesteigerten Wert auf Streicheleinheiten. Meistens stellte Tarvish eine unabhängige Distanziertheit zur Schau, die beinahe schon an mürrische Verdrießlichkeit grenzte, wenn man von einem kurzen Nickerchen auf Michelles Schoß absah, während sie die letzten Nachrichten anschaute, bevor sie zu Bett ging. Dann lehnte er den Kopf ein paar Minuten lang an ihre Hand, doch sobald der Wetterbericht gezeigt wurde, schlich er schon wieder zu seinem Körbchen zurück. Tarvish besaß einen gewissen Stolz – so bleckte er die Zähne, wenn Owen versuchte, ihn gönnerhaft mit einem Kaubonbon zu verwöhnen –, und Michelle respektierte ihn dafür. In jedem Fall, so hatte sie beschlossen, wäre es Flash gegenüber mehr als unfair gewesen, Tarvish wie ein Baby zu verhätscheln. Michelle und Tarvish hatten ein Abkommen, mit dem sie beide gut leben konnten.
    An den Wochenenden nahm Rory den Hund zu sich. Nach all dem Wirbel, den Michelle darum gemacht hatte, dass ihre Wochenenden stets mit Einkaufstouren und potentiellen Wochenendtrips vollgepackt waren, musste es an jenen ersten Wochenenden nun natürlich kommen, wie es kommen musste: Michelle war allein zu Hause.
    Wenn Anna sie dann auf dem Handy anrief, musste sie so tun, als sei sie unterwegs (»Oh, ich bin gerade unterwegs, um mit Freunden in …, ähm, Oxford zu Mittag zu essen!«), und auch wenn Rory sich meldete, um mit ihr abzusprechen, wann er Tarvish zurückbringen sollte (»Nein, ich bin in, ähm, London. Earls Court. Sie können den Verkehr nur nicht hören, weil ich ein Stück abseits der Straße bin«). Sie ging zwar ein- oder zweimal aus zum Essen, doch außer Anna besaß sie keine echten Freunde und wollte bei den McQueens am Wochenende auch nicht stören. Letzten Endes verbrachte sie die meiste Zeit ihrer hundelosen Wochenenden damit, so durch ihre beiden Geschäfte zu streichen, dass keine Fußgänger sie sehen konnten.
    Zum ersten Mal, seitdem sie Harvey verlassen hatte, war Michelles Tagesablauf durch jemand anderen geprägt als sie selbst. Und fast ohne es zu merken, richtete sie ihre innere Uhr ganz nach Tarvishs Bedürfnissen aus, legte zusätzliche Dosen mit Rindfleischgulasch in ihren Einkaufskorb und starrte sonntags ab halb sieben auf die Uhr, weil sie auf seine Rückkehr wartete. Insgeheim gefiel ihr das eigentlich ganz gut. Im Laden liebten alle Tarvish, und sie war diejenige, die ihn mit nach Hause nehmen durfte. Dies verlieh ihr das Gefühl, ein Teil des Teams – oder wieder in der Schule – zu sein. Sie konnte es zwar nicht genau beschreiben, aber es war alles doch deutlich angenehmer als erwartet.
    Am letzten Sonntag im April hatte Michelle eine Gourmetlasagne in den Ofen geschoben und eine Dose mit bestem Hühnchenfleisch für Tarvish bereitgestellt, als es um die gewohnte Zeit herum an der Haustür klingelte.
    »Keine Panik«, warnte Rory sie sofort, als sie die Tür öffnete. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.«
    Michelle blieb beinahe das Herz stehen. Tarvish lag, in ein altes Sweatshirt gewickelt, in Rorys langem Arm. Sein grauer Bart war mit Sabber und – iiihhh –

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