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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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seinen Ballons auf sie zugelaufen, und jetzt hatte sie keine andere Wahl mehr, als ihn anzuschauen.
    Michelles Mutter hatte damals eine sehr nervige Phase gehabt, in der sie Harvey »Bärchen« genannt hatte aufgrund seines »süßen bärigen Gesichts – wie Pooh, der Bär!«. Eigentlich wirkten seine Gesichtszüge sehr freundlich; er hatte eine blonde Mähne, einen großen Mund, der meist offen stand, und große Ohren. Doch seine Augen waren nicht ganz so bärig wie der Rest von ihm. Sie waren hellblau, klein wie seine Hände und Füße und erfassten alles mit dem abschätzenden Blick einer Klapperschlange.
    Harvey hatte seinen Blick nun auf Michelle gerichtet; ihr lief es kalt den Rücken hinunter, als er sich ihr näherte.
    »Happy Birthday, meine Liebe«, rief er und gab ihr einen feuchten Schmatzer auf die Wange. Michelle zuckte beinahe zusammen, als er ihr mit einer vertrauten Geste seine Hand auf die Hüfte legte. Wie früher stank Harvey nach zu viel Aftershave und Autowachs, das Haar war immer noch sorgfältig gegelt, die Nase leuchtete rot, und seine Krawatte war immer noch mit lustigen Schildkröten gemustert.
    Als Antwort stieß Michelle ein unverbindliches Geräusch aus. Dies klang jedoch eher wie ein Piepsen.
    »Sieh dich bloß einmal an!«, rief er und drückte ihre Hüfte, während sie sich bemühte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Du siehst nicht einen Tag älter als dreißig aus!«
    »Nein – sie sieht genau dreihundertfünfundsechzig Tage älter als dreißig aus!«, brüllte Ben wie aufs Stichwort und hätte sich dabei beinahe auf die Schenkel geklopft.
    »Sieht sie nicht fabelhaft aus?«, rief Harvey galant und fuhr dann so leise fort, dass nur sie es hören konnte, »insbesondere jetzt, wo du ein oder zwei Kilos abgenommen hast. Muss daran liegen, dass dich deine Arbeit ganz schön auf Trab hält. Weiter so!«
    Michelle fühlte sich, als habe ihr jemand die Kleider vom Leib gerissen – beschämt und gehemmt. Das waren Gefühle, die sie schon seit Jahren nicht mehr empfunden hatte. Als sie den Kopf zur Seite drehte, fiel ihr auf, dass ihre Mutter sie mit einem Ausdruck allergrößter Selbstzufriedenheit anstarrte, bevor sie ihren Ehemann anstupste, als wolle sie sagen, »Da, sieh, was ich getan habe!«
    Als Michelle und Harvey sich zehn Jahre zuvor kennengelernt hatten – oder nachdem sie schließlich nachgegeben und ihrer Mutter erlaubt hatte, sie über ein Blind Date mit dem Starverkäufer ihres Dads zu verkuppeln –, war sie gerade einmal zwanzig Jahre alt gewesen und hatte mit alldem, was niemand offen eine klinische Depression hatte nennen wollen, zu kämpfen gehabt. Michelle war nicht von Natur aus der Typ Schülerin gewesen, der von der Schule geworfen wurde. In der Parallelwelt, in der nichts schiefgelaufen war, befand sie sich wie geplant bereits im zweiten Jahr an der Uni, schloss neue Freundschaften, aß Nudeltöpfe aus dem Becher und hatte die ein oder andere Affäre mit einem Naturwissenschaftler und anderen sorglosen Spaß.
    Stattdessen war sie in Kingston geblieben und hatte sich vor der Welt versteckt. Harvey hatte sie zu seinem persönlichen Projekt erklärt, und sie hatte es ihrerseits nicht fassen können, dass ein so erfolgreicher und attraktiver Mann wie Harvey (ihre Maßstäbe waren zu dem Zeitpunkt verdammt niedrig gewesen) eine Versagerin wie sie haben wollte. Harvey neigte dazu, dem zuzustimmen, doch hatte sie sich mit seiner Unterstützung allmählich wieder einem Zustand angenähert, der an »Normalität« grenzte – wenn es denn als normal galt, jemandem dabei zuzusehen, wie er Golf spielte und zu Vorführungen von neuen Automodellen ging. Sie war froh, dass Harvey für sie sämtliche Unterhaltungen führte, er mit ihr zu Selfridges ging, die Einkäufe mit seiner Kreditkarte bezahlte und sie »angemessen« kleidete. Er war erwachsen. Er verstand all diese Dinge. Und seine Aufmerksamkeit war Balsam für Michelles kaum vorhandenes Selbstbewusstsein.
    Michelle lernte schnell, und ihr Dad war rührend darum bemüht, ihr alles beizubringen, was er wusste, da seine Söhne, die allesamt die Universität besucht hatten, keinerlei Interesse an seinem Autohandelsimperium hegten. Sie war gut darin, die Wünsche der Kunden zu erraten und ihnen diese für einen gewissen Preis zu verkaufen. Zudem entwickelte sie in ihrem »Verkaufsmodus« eine höchst selbstbewusste Fassade, die sich stark von der Michelle unterschied, die sie privat war. Doch als sie nach und nach ihr

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