Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Selbstbewusstsein zurückerlangte, wurde ihr mit der Zeit immer klarer, dass Harvey dies gar nicht behagte. Er wollte, dass sie tat, was er ihr sagte. Doch da war es schon zu spät gewesen – das Festzelt war schon bestellt. Ihre Familie machte keinen Hehl daraus, wie erleichtert sie war, dass die ganze heikle Episode damit beendet war; das schwarze Schaf war erfolgreich weiß gefärbt worden und befand sich wieder auf der Erfolgsspur.
Michelle beobachtete, wie Harvey nun ihrer Mutter einen Kuss gab, ihren Brüdern die Hand schüttelte, deren Frauen küsste und den Kindern wilde Grimassen schnitt. Innerlich spürte sie die vertraute Übelkeit. Damals hatte sie die Hochzeit über sich ergehen lassen, weil sie in ihrem immer noch tauben Herzen keinen überzeugenden Grund hatte finden können, warum sie ihn nicht heiraten sollte, außer, dass sie das Gefühl nicht loswurde, dass es sich nicht richtig anfühlte, was ihr unfassbar undankbar vorkam – und was er sich auch zu glauben geweigert hätte. So hatte sie lieber nichts gesagt. In den darauffolgenden Jahren jedoch konnte sie eine ganze Menge sehr überzeugender Argumente ansammeln.
»Nimm dir einen Stuhl, Kumpel«, rief Ben betont kameradschaftlich. Er war von Beruf Immobiliengutachter und hatte sich nie daran gewöhnt, dass er weder so cool wie Harvey noch so charismatisch wie Owen war. »Was darf ich dir zu trinken bestellen? Bei der Familie wirst du was Ordentliches brauchen!«
»Ich werde mich hierher setzen«, erwiderte Harvey lässig. »Neben meine Lady – wenn sie mir ein wenig Platz macht. Rück mal ein Stück, Shelley!«
Und schon drängte er sich in die winzige Lücke zwischen Emma und ihr. Michelle wusste genau, dass er sie auf seine Knie ziehen würde, wenn sie nicht aufrückte. Ihr blieb keine andere Wahl.
Owen blickte flüchtig zu ihr hinüber, und ihr war klar, dass seinem scharfen Blick nichts entgangen war. Seine Miene drückte eine Mischung aus Verwirrung und Mitleid aus – nur mit wem, das war die Frage.
Manchmal, wie eben jetzt, hätte Michelle am liebsten Owen beiseitegezogen und ihm alles erzählt, ihn auf den neuesten Stand gebracht, warum jeder hier so war, wie er war. Er hatte so vieles einfach nicht mitbekommen. Doch sie hatte viel zu viel Angst davor, dass er danach seine Meinung über sie ändern könnte – und das hätte sie nicht ertragen.
Der weitere Verlauf des Essens war von einer aufgesetzten, künstlich guten Laune geprägt, obwohl Michelle eigentlich sicher war, dass nur ihr dies auffiel. Harvey rückte immer näher, und gegen halb vier, nach Kuchen und Geschenken (ein Pediküreset und eine Stofftierkatze, die schnurrte, wenn man sie streichelte, »damit du ein wenig Gesellschaft hast«), wollte sich Michelle mit ihrem Handy auf die Toilette flüchten. Von dort aus plante sie, Anna eine SMS mit der Bitte zu schicken, sie wegen eines Notfalls im Laden anzurufen.
»So früh willst du schon gehen?«
Harvey tauchte just in der Sekunde hinter ihrem Stuhl auf, als sie diesen zurückschieben wollte. Ihr war klar, dass sie nun ein kurzes Gespräch führen mussten. Da war es besser, dem gleich nachzugeben. Ihre Atmung beschleunigte sich, und sie hatte Mühe, normal zu klingen.
»Leider. Aber ich muss nach Hause«, erklärte sie und wedelte mit dem Handy. »Ein Notfall im Laden.«
»Welche Notfälle kann es bei Büchern schon geben? Lass mich mal sehen.« Er setzte an, ihr das Telefon spielerisch abzunehmen, doch sie zog es weg. Da sie in dem Augenblick außer Sichtweite der Familie waren, packte Harvey brutal ihr Handgelenk, um ihr das Handy zu entreißen. Glücklicherweise kam in diesem Augenblick jedoch der Kellner vorbei, und während Harvey ihn freundlich anlächelte, riss Michelle ihren Arm weg und trat zurück. Mittlerweile klopfte ihr das Herz bis zum Hals.
»Owen sagte, der Laden gehe sehr gut.« Harvey zog die Augenbrauen hoch und betonte auf diese Weise seinen vom Skifahren gebräunten Teint. »Ich wusste gar nicht, dass du eine so begeisterte Leseratte bist. Aber andererseits konntest du schon immer alles Mögliche gut verkaufen. Du gibst den Leuten gern das, was sie wollen.«
»Ich bin eine gute Verkäuferin, das stimmt.« Doch Michelle war durchaus klar, dass er etwas vollkommen anderes angedeutet hatte. »Vielen Dank für die Blumen«, fuhr sie höflich fort. »Aber schick mir bitte keine mehr.« Sie kratzte ihren letzten Rest Mut zusammen. »Es tut mir leid, aber zwischen uns ist es endgültig aus und
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