Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
schüttelte den Kopf. »Ich habe schon viel zu lange darauf gewartet. Das ist das Einzige, was ich schon immer wollte. Seit ich klein bin, habe ich mir eine Familie wie die Waltons gewünscht oder wie die aus Betty und ihre Schwestern . Ich habe meiner Mutter permanent mit der Frage in den Ohren gelegen, wann ich denn noch Brüder und Schwestern bekommen würde.« Sie biss sich auf die Lippe. »Einmal habe ich sie gefragt, ob sie nur ein Kind haben wollten, und meine Mutter meinte darauf, nein, sie hätten am liebsten ein ganzes Haus voller Kinder. Es muss ihr das Herz gebrochen haben, als ich mit den Katzen gespielt und so getan habe, als seien sie Babys.«
»Glaub mir«, stellte Michelle fest, »du willst keine Brüder haben.«
»Das wäre mir egal gewesen«, erwiderte Anna. »Ich hatte unsichtbare Brüder, Schwestern, Pferde, Hunde … alles. Ich bezweifle, dass Becca, Chloe und Lily wissen, wie gut sie es haben.«
»Warum haben deine Eltern nicht mehr Kinder bekommen?«
»Sie haben offenbar zu spät angefangen. Bei uns in der Familie kommen die Frauen außerordentlich früh in die Wechseljahre – was Mum damals offenbar nicht gewusst hatte. Erst kürzlich noch hat sie mir geraten, mir nicht mehr allzu viel Zeit zu lassen. Aber das war ohnehin immer mein Plan.« Anna spielte mit ihrem Weinglas. »Das war eins der Dinge, auf die Phil und ich uns bei unserer Hochzeit geeinigt hatten. Wir wollten den Mädchen genügend Zeit geben, um sich an alles zu gewöhnen, aber ab unserem vierten Hochzeitstag wollten wir definitiv versuchen, ein eigenes Baby zu zeugen. Und das wäre nächsten Monat.«
»Du meine Güte«, erwiderte Michelle. »Ich sollte also ab September Babystrampler mit aufgedruckten literarischen Zitaten ins Sortiment aufnehmen?«
Anna grinste und hob den Daumen.
»Weiß Phil denn, was das für ihn bedeutet?« Wieder zog Michelle die Augenbrauen hoch, sodass Anna sofort wusste, was nun kommen würde. »Wenn er jetzt schon zu geschafft ist, um mit Pongo Gassi zu gehen, woher soll der arme Mann dann die Kraft hernehmen, ein Baby zu zeugen? Ganz zu schweigen vom ganzen Rest, der danach folgt? Da muss er sich ganz schön ins Zeug legen! Du schuftest immerhin jetzt schon mehr als zu der Zeit, als du noch eine Vollzeitstelle hattest.«
Michelles wie immer großzügiges Weihnachtsgeschenk für ihre beste Freundin war ein Gutschein für zehn Stunden Bügeln, fünfmal Gassigehen und einen ganzen Wellnesstag mit ihr zusammen. Doch Michelle hatte besonders darauf geachtet, dass Phil dabei war, als Anna das Geschenk öffnete. Phil hatte wenigstens so viel Anstand besessen, schuldbewusst dreinzuschauen, und nachdem Michelle heimgegangen war, hatte er angeboten, die Stunden zu verdoppeln. Doch darum ging es gar nicht. Er hatte Anna ein neues Bügeleisen geschenkt. Die Jahre davor war es in Papier eingeschlagene Seidenunterwäsche gewesen.
»Sarahs Vertrag läuft nur über zwei Jahre«, erklärte Anna. »Vielleicht ist sie sogar vor der Geburt des Babys schon wieder zurück, sodass die Mädchen dann vielleicht gar nicht mehr bei uns wohnen.«
»Das habe ich gar nicht gemeint.«
»Phil weiß genau, wie wichtig mir diese Sache ist. Ihm ist es genauso wichtig. Natürlich liebe ich seine Kinder, sehr sogar. Aber eben nicht so bedingungslos wie ein eigenes, wenn du weißt, was ich meine. Unser Baby wäre genauso sehr ein Teil von mir wie …«
Sie hielt inne und zuckte dann zusammen. »Behalt das bitte für dich, ja? Am besten, du vergisst, dass ich es überhaupt gesagt habe. Das gehört zu den Dingen, die man einfach nicht sagen darf.«
»Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst«, entgegnete Michelle. »Wem sollte ich schon davon erzählen?«, fuhr sie fort und nickte unprätentiös in Richtung ihres leeren Wohnzimmers.
»Phil hat mir versprochen, dass wir dieses Jahr versuchen wollen, ein Baby zu bekommen«, fuhr Anna fort. »Und eines muss man Phil lassen: Er hält sein Versprechen. So was ist für ihn Ehrensache.«
Während sie ihren eigenen Worten lauschte, verspürte Anna ein weihnachtliches Glühen tief in ihrer Magengrube, das sich wie eine warme Flamme in ihr ausbreitete und dazu führte, dass ihre Wut über Evelyn und die Bücher verrauchte. Die letzten Jahre waren eher wie ein Hindernisparcours gewesen, doch sie hatte daraus gelernt und sich oftmals auf die Zunge gebissen. Anna hatte ihren Teil der Abmachung eingehalten, sodass sie nun endlich an der Reihe war.
»Was ist denn mit dir?«,
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