Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
dachte Anna.
»Gut.« Eigentlich hatte sie aber gehofft, in diesem Stadium mehr zu empfinden. Vorhin war ihr ein wenig schlecht gewesen, und sie hatte einen krampfartigen Schmerz verspürt – beides war in ihrer Schwangerschafts-Online-Recherche als ziemlich eindeutiger Hinweis verbucht.
»Hast du schon einen Test gemacht? Bei dem man gleich ablesen kann, ob man schwanger ist oder nicht?«
»Der Test liegt im Badezimmer. Ich habe bisher nicht … Es kam mir unpassend vor.«
»Dann geh und mach jetzt den Test«, flüsterte Phil. »Du bist schon fünf Tage drüber, der Test sollte jetzt eigentlich ein positives Ergebnis anzeigen.«
»Und dann?«
»Dann …« Er hielt inne. »Dann wissen wir, woran wir sind.«
Einen langen Augenblick sahen sie einander in der Dunkelheit an.
»Ich bin ein Kerl«, erklärte Phil. »Ich brauche Tatsachen.«
»Okay.« Anna musste ohnehin dringend auf die Toilette – ein weiterer Hinweis auf eine Schwangerschaft, wie sie wusste. Obwohl der Umstand, dass sie am Abend becherweise Pfefferminztee getrunken hatte, sicherlich auch ein Übriges dazugetan hatte. Schnell schlüpfte Anna aus dem Bett und zog sich ihren Morgenmantel über. Vor Aufregung schlug ihr das Herz schon bis zum Hals.
Alles wird gut, redete sie sich immer wieder ein, nachdem sie den Test im Badezimmerschrank gefunden hatte, wo sie ihn versteckt hatte. Das war wieder einer dieser Zufälle; das Timing war so schlecht, dass es schon wieder gut war. Michelle hatte recht. Am besten, die Mädchen brachten das ganze Drama in einem Aufwasch hinter sich.
Anna schaltete das Licht nicht ein, da das Mondlicht das Bad mit einem romantischen Glanz überzog. Doch nachdem sie die Packung aufgerissen und sich die Unterhose hinuntergezogen hatte, um auf den Test zu urinieren, stellte sie fest, dass der Test nicht mehr nötig war.
Ihre Periode hatte eingesetzt.
Es gab also trotz allem nur eine Mutter in diesem Haus.
Neben der Badewanne ließ sie sich zu Boden sinken und weinte.
20
» Die Eisenbahnkinder von Edith Nesbit ist die Geschichte von drei Kindern, die in der Edward’schen Epoche groß wurden. Wer sich danach keinen roten Reifrock wünscht, der in Krisenmomenten wogt, oder keine Träne verdrückt, wenn Daddy nach Hause kommt, der muss ein Herz aus Stein haben.«
Anna McQueen
M ichelles Spleen, alles vorauszuplanen und wöchentliche Abrechnungen zu machen, hatte den Vorteil, dass sie für gewöhnlich alles vollkommen unter Kontrolle hatte. Doch dieses Jahr schienen ihr die Dinge ein wenig zu entgleiten.
Vielleicht lag es daran, dass sie zweimal so viel arbeiten musste, um die beiden Läden am Laufen zu halten, die Geschäftsbücher zu führen, die Läden mit Waren zu bestücken und mit genügend Personal auszustatten. Vielleicht fühlte sie sich aber auch strenger an ihre Routine gebunden dank der doch ziemlich gebieterischen Gegenwart von Tarvish, der eine halbe Stunde nach Geschäftsschluss Michelle immer wieder an den Knöchel stupste, damit sie endlich nach Hause ging. Jeder Tag schien plötzlich doppelt so schnell vorbei zu sein, und mit einem Mal war das Wochenende erreicht, bevor sie überhaupt auch nur die Hälfte der Punkte auf ihrer ewig wachsenden To-do-Liste abgehakt hatte. Seit Wochen hatte sie schon ihren Backofen nicht mehr gereinigt, und die Geschenkkartons, die sie von ihrem Geburtstagsessen mitgebracht hatte, standen immer noch, unberührt, in dem leeren Gästezimmer in der Wohnung.
Während sich bei Anna derzeit alles allein um die Klausurtermine der Mädchen drehte, bestand Michelles Leben nur noch aus Vorlaufzeiten, Warenbestellungen und Umsatzsteuererklärungen – und dies war mindestens genauso zeitaufwändig. Mittlerweile war es Mai geworden, und sie sah den Waren, die sie wie geplant im Buchladen als Teil ihres schleichenden Sortimentswechsels anbieten wollte, mit großer Spannung entgegen. Per Zufall war sie auf einen ortsansässigen Schneider gestoßen, der bereit war, sie exklusiv mit babyzarten Baumwollpyjamas zu beliefern – wenn sie denn eine Bestellung für den Herbst aufgab und eine beträchtliche Summe als Baranzahlung leistete.
Michelle wusste um die Vorteile dessen, doch es bedeutete gleichzeitig, mehr Geld aufzutreiben, was wiederum bedeutete, mit den Zahlen zu jonglieren – wobei sie das Durcharbeiten der Verkaufszahlen an einem Sonntagabend längst nicht mehr als so tröstlich empfand wie früher. Zwar lief der Buchladen deutlich besser als erwartet, und Home Sweet Home
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