Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
hatten sie dann schweigend beisammengesessen und gelesen, bevor er dann stets um fünf vor sieben aufgestanden und nach Hause gegangen war. Rory las dabei die Nachrichten und die Literaturkritiken, während Michelle die Immobilienseiten überflog und Seiten aus der Wochenendbeilage für ihre Ideenbücher herausriss.
Beim ersten Mal hatte sich Michelle eher überrumpelt gefühlt, als Rory seine Schuhe ausgezogen, ihre Kissen plattgedrückt und die Zeitungsseiten nicht wieder so gefaltet hatte, wie sie ursprünglich gewesen waren. Doch der Raum hatte sich seltsam leer angefühlt, nachdem sie die Kissen aufgeschüttelt und die Zeitungen ordentlich zusammengelegt hatte. Ihr gefiel es ganz gut, dass er nicht viel redete und genau wie angekündigt auch wieder ging.
»Aaah«, rief Rory, als er sich mit dem Zeh den Joggingschuh vom jeweils anderen Fuß abstreifte, sich aufs Sofa fallen ließ und den Wirtschaftsteil der Sunday Times auseinanderfaltete. »Was für ein Idiot !«
Sie sah von der Küche aus dabei zu, wie er die Zeitungsseiten über den Boden verteilte, während der Wasserkessel kochte.
Wenn Rory dachte, dass sie gerade nicht hinsah, redete er leise auf Tarvish ein – Michelle sah, wie sich seine Lippen bewegten –, aber so leise, dass Michelle nichts davon hören konnte. Tarvish schien ihm aufmerksam zu lauschen; er hatte die schwarzen Ohren gespitzt, und der schwarze Stummelschwanz wedelte von einer Seite zur anderen, sodass die langen Haare seines Fells in Bewegung gerieten.
Wie lächerlich, dachte Michelle amüsiert. Als würde ich nicht sehen, wie verschossen er in diesen Hund ist. Immerhin ist Tarvish immer frisch gestriegelt und gebürstet, wenn er zurückkommt.
»Warum sieht der Hund so sauber aus? Haben Sie ihn gebürstet?«, rief sie.
»Nein! Na ja, vielleicht ein bisschen. Ich bin heute Nachmittag mit ihm nach Butterfield hinaufgefahren, um Mr. Quentin einen Besuch abzustatten.«
»Hat ihn das denn nicht verstört, Tarvish bei einem anderen Besitzer zu sehen?«
»Nein, die beiden hatten viel Spaß zusammen. Alle haben Tarvish gestreichelt und von ihren eigenen bissigen Kötern erzählt, die Kinder liebten, aber schwarze Katzen umgebracht haben. Anna hat mich gebeten, Tarvish mitzubringen, wenn sie das nächste Mal ihre Vorlesestunde abhält.«
»Wie nett.« Michelle tauchte die Teebeutel ins Wasser und nahm sich vor, Anna dabei zu begleiten. Vielleicht mit einer warmen Decke für Mr. Quentin. Es schadete nichts, ihn schon einmal hinsichtlich der Bettwäsche ein wenig einzunorden.
»Sie sollten auch einmal mitkommen«, fuhr Rory fort und schien ihre Gedanken mit einer nervtötenden Beiläufigkeit lesen zu können. »Haben Sie keinen Lieblingsroman, den sie den alten Leutchen vorlesen könnten?«
»Nein. Und jetzt fangen Sie nicht auch noch davon an. Anna liegt mir schon seit einer Ewigkeit damit in den Ohren, eine dieser Karten mit einer Buchkritik für den Laden auszufüllen.«
»Und warum tun Sie das nicht?«
»Weil ich keine Zeit dazu habe.« Michelle öffnete und schloss ihre Küchenschränke auf der Suche nach dem richtigen Teller, auf den sie die Kekse legen konnte. »Ich bin schon mitten in der Planung des Weihnachtsgeschäfts.«
»Das glaube ich nicht! Wir haben doch noch kaum Sommer!« Während sie Rory den Rücken zugewandt hatte, war er in die Küche gekommen. »Was ist das?«
Michelle warf einen Blick über ihre Schulter und sah, dass Rory in ihrem Ideenbuch für den neuen Laden blätterte, das mit herausgerissenen Seiten aus Magazinen, Katalogen und Bestellzetteln verschiedener Unternehmen gespickt war.
»Bettwäsche«, erwiderte sie. »Mein Projekt für den Winter.«
»Sieht nett aus.« Er blätterte weiter. »Warm.«
»So soll es sein«, nickte sie. Sie war sich nicht sicher, wie sie es finden sollte, dass Rory seine Meinung über Schlafzimmer kundtat. Seines war vermutlich ziemlich nackt und kahl, asketisch, mit Bücherregalen voller Fantasy-Romane und einer Wasserflasche neben dem Bett. War er etwa ein Mann, der sich für Bettlaken und -bezüge interessierte? Oder etwa ein Fan von Daunendecken? An jenem Tag, als sie mit Anna und Rachel in seiner Wohnung herumgestöbert hatte, war die Schlafzimmertür geschlossen gewesen. Jetzt wünschte sie sich, wenigstens einen kurzen Blick hineingeworfen zu haben.
»Die Sachen sind wunderbar, insbesondere die Quilts. Das sind Teile, die weitervererbt werden.« Mittlerweile war sie zuversichtlicher, über ihre neue Geschäftsidee
Weitere Kostenlose Bücher