Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
wurde auf die maximale Lautstärke aufgedreht.
»Sie tanzt sich den Schmerz von der Seele«, erklärte Becca.
Anna musste ein Lachen unterdrücken. »So, das wären also zwei Mädchen weniger. Aus welchem Grund möchtest du jetzt davonstürmen?«
»Ich? Bei mir ist alles gut«, erwiderte Becca. »Von mir aus kann Mum heiraten. Wenn sie sich später noch einmal ihre Hochzeitsfotos anschaut und sich dann vor Scham windet, ist das doch ihre Sache. Ich will nur einfach nicht bei ihren Flitterwochen dabei sein.«
»Okay«, seufzte Anna. »Hast du deinem Vater eigentlich schon gesagt, dass du mit Owen zum Abschlussball gehen wirst? Weil du immer noch nicht dieses Abendessen organisiert hast, um das ich dich gebeten hatte. Phil will nämlich langsam wissen, was los ist.«
Damit hatte sie die Wahrheit umschifft, ohne zu lügen.
»Hast du es ihm gesagt?«, fragte Becca plötzlich.
»Ich habe ihm nur einen Namen genannt. Was denn? Ich musste doch irgendetwas sagen, schließlich hat er nach Josh gefragt!«, protestierte Anna. »Und ich mag es nicht, irgendwem in diesem Haus gegenüber Geheimnisse zu haben. Also komm schon.«
Becca legte das Buch beiseite, warf Anna einen vorwurfsvollen Blick zu, nahm wortlos ihre Schultasche und verschwand nach oben. Pongo schlängelte sich unter dem Küchentisch hervor und folgte ihr.
Na prima , dachte Anna und schenkte sich noch ein Glas Wein ein. Damit wäre meine Rolle als Elternteil hier auch erledigt.
Als Sarahs Hochzeit immer näher rückte und eine Abschlussklausur nach der anderen abgehakt war, wurde es sogar noch heißer, die Gemüter hitziger und der Geduldsfaden kürzer. Nur Lily schien von den Spannungen am Esstisch nichts mitzubekommen. Was wahrscheinlich daran lag, dass sie in ihrer eigenen Welt lebte – auch so ein Punkt, über den sich Anna Sorgen machte. Irgendwann, nach stundenlangem Schmollen, plötzlichen Tränenausbrüchen, mitternächtlichen Panikattacken und endlosen Schokoladenrationen, die Anna ihnen jeden Abend vors Zimmer stellte, war zuerst Chloes letzte Prüfung vorbei, dann Beccas letzte Klausur. Und schon stand Beccas Abschlussball vor der Tür.
Phils Bedenken hinsichtlich Owen kamen schließlich in der Nacht davor zum Vorschein.
»Ist er auch vertrauenswürdig?«, flüsterte Phil über das Summen des Ventilators hinweg, der die heiße Luft über dem Bett aber nur verteilte, anstatt sie zu kühlen. »Hat er ein eigenes Auto? Und welche Marke fährt er? Hat Becca darin schon einmal gesessen?«
»Diese Besessenheit, was das Auto angeht, sagt mehr über dich aus als über Owen«, zischte Anna zurück. »Was für ein Jugendlicher warst du denn?«
»Ein Opportunist mit einem Mini Clubman. Der war meine Geheimwaffe.« Verdrießlich lehnte er sich in die Kissen zurück. »Mein kleines Mädchen. Und jetzt macht sie schon ihren Schulabschluss. Könntest du Michelle bitten, Owen zu sagen, dass er seine Hände schön bei sich behalten soll?«
»Und was schlägst du vor, wie ich dies meiner Chefin beibringen soll?«, fragte Anna verärgert, sodass Phil sie beruhigen musste.
Danach rollte jeder auf seine eigene Seite des Bettes. Der kühlste Teil des Bettes, dachte Anna, als sie die Wärme aus ihrem Kissen herausschütteln wollte, war der immer breiter werdende Graben in der Mitte.
Als Owen an der Haustür der McQueens ankam, musste man ihm zugutehalten, dass er die Rolle des ziemlich feschen, aber doch verlässlichen Begleiters bis zu einem Punkt spielte, der hart an eine Selbstparodie grenzte.
Sein dunkles Haar war akkurater geschnitten, als Anna es je zuvor gesehen hatte, obwohl es immer noch leicht zerzaust wirkte. Dazu hatte er einen waldgrünen Samtsmoking aufgetrieben, der ihm ein siebziger Jahre mäßiges James-Bond-Aussehen verlieh. Damit würde er die Longhamptoner Jungs in den alten Smokings ihrer Väter weit in den Schatten stellen. Dazu hatte er sich ordentlich rasiert, und obwohl immer noch ein oder zwei Lederarmbänder unter den Ärmeln seines gestärkten weißen Hemdes hervorlugten, roch er frisch und sauber. Dazu verströmte er aus jeder Pore eine attraktive, ungestüme Begierde, die Anna wehmütig an ihre eigene Studienzeit zurückdenken ließ, bei der der sorgsam aufpolierte Putz eine märchenhafte Verwandlung des kunstvoll ungepflegt-schmuddeligen Auftretens während des Tages gewesen war.
Außerdem hatte Owen ein kleines Blumenbouquet gekauft, das Becca sich ans Kleid heften konnte, und einen Strauß für Anna, den er ihr mit einem
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