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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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Sie nahm sich eine Toastscheibe und schnitt sie halb durch. »Soll ich Ihnen jetzt Absolution erteilen? Zehn ›Gegrüßet seist du, Maria‹ und einen Roman von Dan Brown?«
    »Ich hätte besser reagieren können«, fuhr Rory fort. »Ich hätte mutig sein und die Sache beenden sollen, anstatt Esther in eine Lage zu bringen, in der wir uns beide nicht gerade vorbildlich verhalten haben. Aber, wie meine alte Vermieterin einmal sagte, Gott habe sie selig: Auch nette Leute können manchmal schlimme Dinge anstellen aus Angst davor, etwas Gemeines zu tun. Dadurch werden sie nicht automatisch für immer ein böser Mensch.«
    »Das stimmt wohl«, antwortete Michelle. »Obwohl das klingt, als hätten Sie den Satz schon das ein oder andere Mal vor Gericht verwendet.«
    »Ha. Sehr gut. Also«, nickte er. »Jetzt sind Sie dran. Wie wäre es, wenn Sie mir die wahre Geschichte Ihrer Scheidung erzählen würden?«
    »Was heißt denn da ›wahre Geschichte‹?«, geriet Michelle ins Straucheln. »Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, Ihnen erzählt zu haben, dass ich überhaupt geschieden bin.«
    Rory wedelte herablassend mit seiner Toastscheibe. »Das ist doch allgemein bekannt. Ich weiß nicht mehr, wer es mir erzählt hat – Anna, oder doch Rachel? Irgendwie hatte ich angenommen, Sie hätten Ihren Mann mit Ihrer endlosen Pingeligkeit in Bezug auf Kissen und Listen in die Flucht geschlagen, aber vielleicht erzählen Sie mir die Wahrheit und zerstreuen meine Irrtümer?«
    Michelle wollte gerade schon protestieren, überlegte es sich dann aber noch einmal anders. War das etwa die Art, wie sie auf andere wirkte? Hatte Rory sich womöglich so gefühlt, als er wusste, dass sie, Anna und Kelsey seine Buggyprobleme diskutiert hatten?
    Rory sah sie an, und einen Augenblick lang überlegte Michelle, ihm zu sagen, sich vom Acker zu machen. Doch er war ihr gegenüber gerade sehr ehrlich gewesen. Und ihre Wut auf Harvey war immer noch groß genug, um sich über ihre Scham hinwegzusetzen.
    Sie holte tief Luft. »Na ja, da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe sehr jung – zu jung wahrscheinlich – einen Mann geheiratet, der für meinen Vater arbeitete. Anders als Sie habe ich aber ziemlich schnell gemerkt, dass wir nicht viele Gemeinsamkeiten hatten. Als ich dann meinen Arzt angelogen und ihm gesagt habe, dass ich wieder Antidepressiva bräuchte, weil meine Großmutter gestorben sei, ist mir klar geworden, dass ich diesen Mann wohl besser verlassen sollte.«
    Rory starrte sie auf eine Art und Weise an, die Michelle Unbehagen bereitete. Na ja, viel hatte sie nun wirklich nicht preisgegeben. Welche Dinge konnte sie ihm erzählen, ohne gleich die schlimmsten Details zu verraten?
    »Er hat mich dazu gezwungen, meinen Job aufzugeben«, fuhr sie darum fort. »Harvey wollte nicht, dass ich arbeite, weil er der Meinung war, alle männlichen Kunden würden sich an mich heranmachen. Deswegen habe ich dann irgendwann meinen Job aufgegeben und bin zu Hause geblieben. Was nicht ideal war, für keinen von uns, da ich nicht gerade der Hausfrauentyp bin. Ich habe mich dann ins Renovieren und Dekorieren gestürzt, weil mir langweilig war. Wenn er nach Hause kam, hat er absichtlich alles in Unordnung gebracht, damit ich ›etwas zu tun‹ hätte. Nachts hat er irgendwelche Möbel umgeräumt und gewitzelt, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte.«
    Rory sagte nichts dazu. Waren diese Beispiele schlimm genug? Vielleicht gab es so etwas aber auch in anderen Ehen. Michelle klammerte sich an ihre Teetasse. »Er hat mich regelmäßig auf die Waage gestellt, was mir gar nicht gefiel, wenn man bedenkt, dass er dreimal so viel wog wie ich. Er hat mir gesagt, dass er keine Kinder will, und dann bei meinen Eltern behauptet, ich sei diejenige, die nicht ihre Figur aufs Spiel setzen wolle. Obwohl er doch eigentlich derjenige war, der nicht …« Michelle schluckte den Rest hinunter. Das war zu viel.
    »Warum haben Sie ihn überhaupt geheiratet?«
    »Damals schien es mir der Richtige zu sein. Harvey war immer sehr nett zu allen anderen.« Michelle klammerte sich noch fester an ihre Tasse. Das alles waren Dinge, die sie nicht einmal Anna erzählt hatte – aus Angst, dass Anna so viel Mitleid mit ihr haben könnte, dass Michelle sie nie wieder mögen würde. Harvey hatte recht gehabt: Mitleid zerstörte Freundschaften. »Außerdem brauchte Mum eine Entschuldigung dafür, die große, ausschweifende Hochzeit zu planen, die ihr nicht vergönnt gewesen war

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