Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Hand. Es wirkte wie eine Requisite.
»Nur ein wenig vorweihnachtliche Gefühlsduselei«, erklärte Charles und angelte in seiner Tasche nach einem gepunkteten Taschentuch. »Ich habe Michelle nur gesagt, wie stolz wir auf sie sind.«
»Natürlich sind wir stolz auf sie«, entgegnete Carole. Nur wollte ihre Miene nicht ganz zu dieser Aussage passen. »Und wir wären noch stolzer auf sie, wenn sie …«
»Carole!«
»Was denn? Du weißt doch gar nicht, was ich sagen wollte!«
»Ich aber, Mum«, entgegnete Michelle. Sie versuchte, sich zu zügeln, indem sie an das dachte, was ihr Dad ihr gerade gesagt hatte. »Du sagst es jedes Mal, wenn ich herkomme. Und meine Antwort darauf ist, dass sich manche Dinge einfach nicht ändern lassen. Manchmal ist es beim besten Willen eben nicht das Richtige.«
»In meinen eigenen vier Wänden darf ich sagen, was ich will, Michelle.«
Michelle sah ihre Mutter an und wünschte sich inständig, ihr alles erzählen zu können. Doch Harvey hatte offenbar viel mehr Zeit darauf verwendet, sie um seinen Finger zu wickeln, als Michelle selbst.
»Weißt du noch, dieses Stofftaschentuch?« Ihr Vater schüttelte es auf, um sich die Nase darin zu putzen. »Du hast mir davon letztes Jahr mehrere zu Weihnachten geschenkt. Das war das beste Geschenk aller Zeiten. Du wusstest schon immer, was die Leute brauchten, bevor sie selbst es wussten. Selbst, als du noch klein warst.« Er lächelte, und Michelle musste schwer schlucken.
»Sagtest du nicht, du hättest Geschenke für Bens Kinder dabei?«, hakte Carole nach. »Ich denke ja, es ist keine besonders gute Idee, sie so lange im Kofferraum liegen zu lassen.«
»Ich werde sie schnell holen gehen«, erklärte Michelle. Im Hinausgehen fiel ihr auf, wie Carole schweigend mit den Augenbrauen wackelte, und wusste unweigerlich, dass Harvey auf dem Weg hierher war, um »kurz Hallo zu sagen«. Dieses Mal war sie allerdings darauf vorbereitet. Sie hatte lange genug mit Rory geübt, bis sie zuversichtlich gewesen war, ihm die Neuigkeit verkünden zu können und dabei die Nerven zu bewahren.
Obwohl dies natürlich bei ihr zu Hause gewesen war, in ihrem hübsch geordneten Haus mit Schwänen draußen und Tarvish drinnen. Nervös suchte sie die Straße nach einem Anzeichen von Harvey ab, doch dann rief sie sich zur Ordnung. Sie konnte das.
»Oh Michelle, jetzt hast du aber ein wenig übertrieben«, stellte ihre Mutter vorwurfsvoll fest, als sie die vierte Tragetasche mit hübsch eingepackten Geschenken hereintrug. »Was ist denn, wenn die Jungs nicht so viel für dich haben? Das wird ihnen sicherlich peinlich sein!«
»Ich bin sicher, du kannst damit umgehen«, erwiderte Michelle. »Außerdem bekomme ich ohnehin jedes Jahr dasselbe geschenkt. Von Ben einen Parfümeriegutschein und von Jonathan einen Versandhandelsgutschein. Soll das, nebenbei bemerkt, eigentlich ein Witz sein? Du kannst ihm nämlich ausrichten, dass ich davon jedes Mal Druckerpatronen kaufe.«
Habe ich mich etwa bei Anna und ihrer derzeit rücksichtslosen Art angesteckt?, fragte sich Michelle. Denn jetzt wollte scheinbar alles raus.
Carole seufzte. »Dieses Jahr wird es richtig still werden. Du kommst nicht, Owen kommt nicht …«
»Owen hat genau die richtigen Prioritäten gesetzt«, entgegnete Charles. »Er ist genau da, wo er auch sein sollte, und verbringt das Weihnachtsfest bei seinen Schwiegereltern, um seine neue Familie besser kennenzulernen.« Er strahlte Michelle an. »Becca ist absolut bezaubernd, findest du nicht? Ein tolles Mädchen!«
» Wenn man es denn für richtig hält, sich auf so etwas einzulassen … Teenagermütter …«, murmelte Carole.
»Mum, du warst auch nicht viel älter, als du Ben bekommen hast«, hielt Michelle ihr vor Augen. Und wieder fiel ihr etwas wie Schuppen von den Augen. War das der Grund, warum sie und ihr Vater diese Schwierigkeiten bekommen hatten? Hatte Carole mit vier Kindern die Mitvierziger erreicht und sich gefragt, was aus ihrem Leben geworden war?
»Da war ich aber auch schon verheiratet . Außerdem habe ich damit deinen Vater in keine Falle gelockt, aus der er nicht mehr herauskam – tut mir leid, aber so ist es doch! Ich spreche doch nur das aus, was alle anderen denken.« In ihrem Gesicht leuchtete selbstgerechte Missbilligung auf, und Michelle hatte plötzlich Mitleid mit Owen. Und mit Becca. Ganz zu schweigen von Anna. Wenn ihre Mutter nun ihr Missfallen gleichmäßig auf Owen und sie verteilte, vielleicht schwächte dies ja die
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