Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Empfehlung hat mein Leben verändert!«. Schnell sammelte sie das auf dem Tisch verteilte Make-up auf und legte es in das Körbchen, das sie extra dafür gekauft hatte. Auf die nun freie Fläche stapelte sie die Bücher, bevor sie weitersaugte.
Immer mit der Ruhe. Nur die Ruhe bewahren. Die Ruhe bewahren.
Im Saugaufsatz hatte sich etwas verhakt. Mit mehr Kraft als nötig gewesen wäre, zerrte sie eine einzelne Socke aus dem Sauger, weil ihr langsam dämmerte, dass sie Michelles Angebot wahrscheinlich trotz allem würde absagen müssen. Denn ganz gleich, ob es Michelle gefiel oder nicht: Anna trug Verantwortung. Die Kinder, von denen sie immer geträumt hatte, die bereits existierende Familie, die ihr zunächst wie ein Geschenk vorgekommen war, stand nun an erster Stelle.
So ist es eben, wenn man Kinder hat, ermahnte sich Anna – aber sollten denn Kinder nicht eigentlich ihre Eltern lieben? Ertrugen sie nicht normalerweise ihre Eltern mit jener »Oh, Mum «-Liebe? Was sie aber so nie erlebte. Sie bekam immer nur »Du bist nicht unsere Mutter !« zu hören.
Anna blieb vor Chloes Spiegel stehen und betrachtete sich. Strähnen rutschten aus dem sich auflösenden Dutt, ihre Nase glänzte, und sie sah erschöpft aus. Hör auf damit, rief sie ihr Spiegelbild zur Ordnung. Du klingst schon fast wie Chloe und nicht wie eine erwachsene Frau! Wirst du auch gleich ein Lied darüber anstimmen, wie beschissen alles ist?
Ihr Spiegelbild starrte finster zurück. Die dunklen Ringe unter den Augen fielen noch mehr auf, seitdem der Concealer verwischt war. Nach und nach merkte Anna, wie die schlechte Laune, die sich in ihrer Brust ausbreitete, zu bleiern war, um einfach so darüber hinwegzugehen. Die Zeit schritt unerbittlich voran. Sie war vierundzwanzig gewesen, als sie Phil kennengelernt hatte. Jetzt war sie in den Dreißigern und bekam größere Poren und Krähenfüße. Wenn Lily die Schule fertig haben würde, wäre sie vierzig.
Anna dachte über die Antibabypillen nach, die im Badezimmer lagen und von denen sich nur noch eine einzige kleine Pille in der Silberfolie befand. Sie war noch nicht beim Arzt gewesen, um sich eine neue Packung verschreiben zu lassen. Von jetzt an würde alles in Gottes Hand liegen. Außerdem hatte sie es aufgeschrieben. Es würde also passieren.
Mit einem Flattern im Magen schob Anna den Staubsauger in Lilys Zimmer, dem letzten und chaotischsten Raum.
Lilys Bett und der Großteil des Fußbodens waren mit Kuscheltieren übersät. Als Nesthäkchen hatte sie alle Teddys, Schildkröten und Katzen abgestaubt, die Chloe und Becca aussortiert hatten, und besaß zudem ihre eigenen Kuscheltiere, allen voran jedoch eine majestätische rosafarbene Kreatur namens Mrs. Piggle. Nach der Scheidung hatte Phil versucht, die Trennung mit einem Plüschtier bei jedem seiner Besuche zu überkompensieren, und jetzt fing Sarah schon genauso an. Das Ergebnis war eine ganze Heerschar von Stofftieren, die nachts alle in eine bequeme Lage gebracht werden mussten, weil Lily gerade eine Phase der existentiellen Angst durchmachte und sich intensiv mit der Frage beschäftigte, ob die Tiere auch Gefühle hatten und somit auch Rückenschmerzen bekommen könnten, wenn man sie achtlos in eine Ecke warf.
Da Lily nicht da war, warf Anna sie kurzerhand aufs Bett und begann, die freien Teppichstreifen zu saugen.
In vielerlei Hinsicht war Lily die Einfachste von den dreien. Sie besaß Phils Umgänglichkeit und seinen Sinn für Humor. Auch hatte sie Anna nie vorgeworfen, ihrer Mum Phil weggenommen zu haben, da sie keine Erinnerungen mehr an das Eheleben ihrer Eltern hatte. Jeden Abend vor dem Schlafengehen lauschte Anna Lilys endlosen Erzählungen darüber, was Mrs. Piggle an jenem Tag wieder alles erlebt hatte. Anna wünschte sich, dies in eine gemeinsame Vorlesezeit verwandeln zu können.
Wir lesen als Erstes Ballettschuhe , wenn sie zurückkommt, dachte Anna und hoffte, dass Lily das Buch Hundertundein Dalmatiner zu lesen angefangen hatte, das sie ihr heimlich ins Handgepäck gesteckt hatte. Wir fangen mit Ballettschuhen an, wenn sie von Hunden genug hat, und dann darf Pongo als besondere Belohnung zum Vorlesen mit nach oben kommen.
Ihre Laune hob sich, und mit frischer Energie schob sie den Staubsauger unter das Bett. Dort traf er allerdings auf einen Widerstand. Als Anna sich bückte, um nachzusehen, entdeckte sie dort einen Haufen Bücher, die entlang der Wand aufgestapelt waren.
Sie kniete sich hin und holte die Bücher
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