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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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der Mittagspause eingesprungen war und Anna ihre Vorlesestunde in Butterfield abhielt.
    »Das war ja so putzig! Er wusste gar nicht, wie er mit dem Kind umgehen sollte!«, berichtete sie mit weit aufgerissenen Augen und einer »Ach, wie süß«-Miene. »Er sah aus wie einer jener Daddys, denen man einfach ein Baby in die Hände gedrückt hat, um darauf aufzupassen. Alles an ihm schien zu sagen, ›Ooooh, wo ist denn hier oben und unten?‹ Total süß! Und das Kind erst! Ein echt süßer Fratz! Pralle, rote Wangen, die man am liebsten herzen würde!«
    »Meinst du, es war sein Kind?« Anna war fasziniert.
    »Er sieht jedenfalls nicht aus wie einer, der ein Kind entführt«, erwiderte Kelsey überrascht.
    »Das habe ich nicht gemeint«, entgegnete Anna. »Sah es eher danach aus, als würde er für einen Bekannten auf das Kind aufpassen, oder war es tatsächlich sein Kind? So was merkt man doch!«
    Rory war Anna bislang nicht dadurch aufgefallen, dass er jene Ausstrahlung besaß, die sie bei anderen frischgebackenen Vätern manchmal festgestellt hatte. Ihr Verstand teilte die Welt um sie herum neuerdings automatisch in Eltern und Nicht-Eltern ein – was ziemlich albern war, wie sie selbst wusste. Insbesondere, wenn man bedachte, dass sie selbst sich irgendwo dazwischen befand; doch ihr ganzes stundenlanges Grübeln stellte komische Dinge mit ihrem Verstand an.
    »Keine Ahnung. Er kam rein und fragte, ›Welches Buch brauche ich für ein Kind dieses Alters?‹« Kelsey imitierte, wie er panisch auf ein Kind von etwa einem Meter Größe vom Boden aus gedeutet hatte. »Ich hatte keinen blassen Schimmer. Schließlich hat er eines jener Militärbücher gekauft, in dem große Bilder abgedruckt waren. Ich will mir lieber nicht vorstellen, was später mal aus diesem armen Kind werden wird.«
    »Das muss ein Patenkind sein oder ein Neffe«, sinnierte Anna. »Ich frage mich, ob er wohl Hilfe braucht?«
    »Ganz ehrlich: Er sah aus, als könne er jede Hilfe brauchen, die er bekommen kann«, erklärte Kelsey. »Ich weiß nicht, wer von den beiden durchgeknallter aussah – er oder das Kind.«
    Ein paar Tage später lief Anna in Butterfield zufällig Rory über den Weg, allerdings ohne Buggy oder Kind im Schlepptau.
    Er verließ das Haus, als sie es gerade betreten wollte, hatte die Schultern zum Schutz vor dem böigen Februarwind hochgezogen und blickte starr zu Boden. Rory schien ganz in seine Gedankenwelt vertieft zu sein, wie Anna es so oft von sich selbst kannte, wenn sie eine ernüchternde Stunde mit den einsamen alten Leutchen verbracht hatte.
    »Rory!«, rief Anna überrascht und schob die Kapuze ihrer Jacke zurück, damit er sie überhaupt erkannte.
    Rorys Kopf schoss hoch, und er schien genauso perplex zu sein, sie hier zu sehen.
    »Hallo! Das ist ja eine Überraschung!«, grüßte er sie und strich sich mit der schon vertrauten Geste das Haar aus dem Gesicht. Anna staunte wieder einmal über seinen starken schottischen Akzent. Würde man ihn nur am Telefon hören, dachte sie, könnte man ihn garantiert für einen schroffen, Kilt tragenden, schottischen Edelmann halten, mit wuscheligem Haar und sehr attraktiv.
    Nicht, dass er in Wirklichkeit nicht auch attraktiv war. Er besaß einen gewissen kantigen Charme und kluge Augen. Anna durchwühlte ihre mentale Liste der fiktionalen Romanhelden und schob Rory in die Dr. Who-Schublade. Der Grund dafür waren seine vielen Schals, das ewige Herumgetüftel, kombiniert mit seiner Klugheit, die verhinderte, dass er persönliche Beziehungen zu anderen aufbaute. Wobei es ihr nun immer schwerer fiel, ihn sich mit einem Kleinkind vorzustellen. Aber es waren durchaus schon ungewöhnlichere Dinge geschehen.
    »Was tun Sie hier?«, erkundigte sich Anna. »Wenn das keine unhöfliche Frage ist?«
    »Nein, das ist überhaupt nicht unhöflich. Ich musste einen Klienten wegen seines Testaments beraten. Und weil ich schon einmal hier war, habe ich kurz bei Cyril vorbeigeschaut – ich hatte ein paar Bücher für ihn dabei.« Er deutete auf Anna, als würde er gerade einen logischen Zusammenhang begreifen. »Und Sie sind für die Lesestunde hier, die heute stattfinden soll?«
    Anna nickte. »Ich komme jede Woche her.«
    »Die alten Leute freuen sich darauf.« Rory grinste und kniff die Augen zum Schutz vor dem eisigen Wind zusammen. »Cyril hat sich seinen Sessel schon reserviert. Die Senioren hatten es ziemlich eilig, in den Aufenthaltsraum zu kommen. Na ja, so schnell man jedenfalls mit einem

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