Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
und eilte aus dem beißend kalten Wind ins Haus hinein.
Leute, die Wodehouse schätzen, können dennoch Mistkerle sein, ermahnte sie sich, als ihr Blick auf Cyril Quentin fiel, der sie von seinem Sitzplatz quer über den Stuhlkreis hinweg anlächelte.
Aber das gefiel ihr ganz und gar nicht, wenn dem so sein sollte.
Chloe und die Apricotz hatten im schallgedämmten Teil des Kellers geübt, seitdem Chloe mit neuen CDs und frischer Make-up-Ausstattung aus New York zurückgekehrt war. Da Chloes Freundin Paige mittlerweile durch Tyras Freundin Ellie ausgetauscht worden war (die, ganz wichtig, eine eigene Wii mit vier Controllern besaß, um damit Just Dance 2 mit den anderen im Keller zu spielen), war nun der Wunsch, die Apricotz einem nichtsahnenden Publikum vorzustellen, eine treibende Kraft in Chloes Leben geworden.
Heute hatte das Betteln und Flehen schon im Auto auf dem Weg zur Schule begonnen und hatte sich fortgesetzt, sobald Chloe ihre Schultasche neben der Haustür auf den Boden geschleudert hatte. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte das Gejammer während des gemeinsamen Abendessens, das Anna eigentlich als Mittel nutzen wollte, um herauszufinden, was die drei in der Schule erlebt hatten. Heute sollte sich dieses jedoch als nützliche Plattform für Chloe herausstellen, um ihre an Simon Cowell, den Castingshow-Guru, gerichtete »Sie müssen mich ins Boot Camp lassen, mein Kaninchen hat nur noch drei Wochen zu leben, ich gebe Ihnen auch 1937 Prozent meines Verdienstes ab«-Rede einzustudieren.
»Ich muss zu den Auditions«, rief Chloe zum dritten Mal innerhalb von zehn Minuten. »Die finden nächsten Monat in Birmingham statt. Oh, und du musst die Erlaubnis dafür unterschreiben.«
»Nein«, erwiderte Phil, ebenfalls zum dritten Mal. »Und jetzt reich mir bitte das Gemüse, das ich mühsam in der Mikrowelle aufgewärmt habe.«
»Tut mir leid, Dad, aber das war keine Frage, sondern eine Aufforderung.« Chloe warf ihm einen unmissverständlich verblüfften Blick zu, der sie deutlich älter als fünfzehn wirken ließ. »Alle anderen Eltern haben zugestimmt. Das Ganze findet nächsten Monat statt. Am einundzwanzigsten. Tyras Dad fährt uns hin, aber wenn du uns abholen würdest, wäre das wirklich toll.«
»Habe ich nicht gerade Nein gesagt?«, fragte Phil, aber dieses Mal klang er nicht mehr ganz so überzeugt. »Ich bin sogar ziemlich sicher, dass ich Nein gesagt habe. Becca, du hast doch auch gehört, dass ich Nein gesagt habe, oder?«
Becca schaute gar nicht erst von ihrem Geschichtsbuch auf, das neben ihrem Teller lag. »Ich habe ein klares Nein vernommen, Dad. Aber das Wort hat in Chloes Sprache nicht die gleiche Bedeutung.«
»Was schlägst du vor, welches Geräusch ich machen soll, um ihr Nein zu signalisieren?«
»›Nein‹ gibt es in ihrer Sprache nicht. Hast du’s schon mal mit Zeichensprache versucht?« Becca blätterte eine Seite weiter.
Chloe setzte ihr katzenhaftes Lächeln auf und warf ihr Haar über die Schulter.
»Könnten wir uns bitte wieder anschreien?«, bat Phil. »Damals wusste ich dann zumindest, dass du mir auch wirklich zugehört hast, wenn wir schon nicht einer Meinung waren.«
»Ich versuche , mich erwachsen mit dieser Sache auseinanderzusetzen«, entgegnete Chloe. »Du willst doch immer, dass ich mich wie eine Erwachsene verhalten soll. Aber dann bist du derjenige, der sich an Diskussionen nicht beteiligt.«
Anna musste wohl oder übel zugeben, dass sie Chloes Taktik bewunderte, die sie sich wahrscheinlich von Sarah abgeschaut hatte: Sie wiederholte immer wieder ihre Ansprüche in einem ruhigen, leicht herablassenden Tonfall, als verhandele sie die Urlaubsvergabe mit einem Berufseinsteiger, bis das gewünschte Ziel erreicht war. Anna war zwar bei Phils und Sarahs Scheidung nicht zugegen gewesen, doch aus den gelegentlichen Gesprächen, die sie zwischen Phil und seinem Anwalt bei der Übergabe von Dokumenten mitbekommen hatte, hatte sie den Eindruck gewonnen, dass dies die von Sarah erprobte und für gut befundene Methode war.
Damit setzte sich Chloe für gewöhnlich erstaunlich erfolgreich gegen Phils ebenso nervige Taktik durch, so lange witzig zu sein, bis der Gegner aufgab. Nicht zum ersten Mal fragte sich Anna, wie viel sich von der ersten Ehe ihres Mannes im Verhalten seiner Töchter widerspiegelte.
»Ich halte es für keine gute Idee, wenn du …«, fing Phil an, doch Chloe hatte schon zu ihrer nächsten Angriffstaktik gewechselt.
»Anna, du könntest mich
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