Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
einmal, ein einziges Mal, sagen würde, sich nicht immer wie eine verzogene Göre zu benehmen. Doch das tat er nie.
Phil hatte keinerlei Probleme, bei Becca oder Lily ein Machtwort zu sprechen, doch jedes Mal, wenn es um Chloe ging, schien er Angst zu haben, sowohl Ja als auch Nein zu sagen. Insgeheim fragte sich Anna, ob dies wohl daran lag, dass Chloe Sarah so ähnlich war. Denn das war sie, sie besaß sogar ihr spitzes Kinn. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie unter der Scheidung ihrer Eltern am meisten zu leiden gehabt hatte? Oder weil sie einfach ein Teenager war? Ganz gleich, was Phil sagte – Chloe wollte stets das Gegenteil.
Anna konnte sich an dieses Alter nur erinnern, indem sie an Schallplatten und Bücher aus jener Zeit dachte. Fünfzehn, das bedeutete für sie Douglas Adams, alle Brontë-Schwestern, die sie in einem dramatischen Rutsch verschlungen hatte, Pulp und Blur. Aber eben nicht ständige Streitereien mit ihrem Dad, alle drei Monate ein Flug in die Staaten, um ihre Mutter zu besuchen oder für eine Talentshow vorzusingen. Wie sollte sie Chloe das geben, was sie brauchte, wenn sie doch keine Ahnung hatte, was das war? Phil wusste es besser. Warum konnte er es denn dann nicht tun?
»Genau das ist es, worin sich kleine, süße Babys verwandeln.« Sein Tonfall war heiter, doch sein Blick sprach Bände.
Anna wusste genau, was er gerade dachte: »Willst du all das noch einmal durchmachen, wenn ich dann sechsundfünfzig bin?«
»Nicht zwingend«, entgegnete Becca, die immer noch in ihr Geschichtsbuch vertieft war. »Hallo?«
»Nein«, stimmte Anna ihr zu. »Nicht zwingend.«
Becca verschwand nach oben, um ihre Hausaufgaben zu erledigen, und nahm sich einen Apfel mit. Lily dagegen zog sich ins Wohnzimmer zurück, wo Pongo heimlich zu ihr aufs Sofa sprang, während sie auf seinem Rücken mit ihrem Nintendo DS spielte.
Anna räumte die Teller ab, und Phil schüttete den restlichen Vanillepudding auf die Überreste des Applecrumbles. Mit verzweifeltem Blick kratzte er auf der Servierplatte herum.
»Könntest du dich ein wenig beeilen?«, bat Anna. »Ich brauche den Tisch, um einige Dinge für den Buchladen zu planen.«
Er sah sie an. »Du hättest mich unterstützen müssen«, murrte er und deutete mit seinen Augen in Richtung Keller.
»Ich hätte dich unterstützen müssen?« Anna fuhr fort, das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen. »Wie das denn? Was hätte ich denn sagen sollen?«
»Das ist ja wohl offensichtlich, oder etwa nicht?« Da hatte er sich wohl schon die wildesten Dinge ausgemalt. »Ich will einfach nicht, dass meine Tochter halbnackt vor irgendwelchen Fernsehkameras herumhüpft und sich dort zum Affen macht!«
Anna stützte sich vor ihm auf dem Küchentisch ab. Über den »meine Tochter«-Teil ging sie geflissentlich hinweg. »Komm schon, Phil, weißt du, wie viele komische Typen sich dort bewerben?«, flüsterte sie. »Tausende. Sie müsste schon sehr, sehr schlecht sein, um überhaupt bis zu dem Teil durchzukommen, wo die Bewerber lächerlich gemacht werden.«
Er senkte die Stimme. »Wissen wir denn, wie schlecht sie ist?«
»Meinst du nicht eher, wie gut sie ist?«, fragte Anna. »Hast du sie dir in letzter Zeit mal angehört? Sie singt während der kompletten Fahrt zur Schule. Sie erzählt die Fahrt. In ihrem Song. Und manchmal reimt es sich sogar.«
Phil sah sie schmerzverzerrt an. »Anna. Du weißt, dass ich mich für’s Singen nicht interessiere. Ich habe aus gutem Grund die Handwerker angewiesen, den Keller schalldicht zu machen. Ich liebe Chloe mehr als alles andere auf dieser Welt, aber selbst ich habe gemerkt, dass sie keine Mariah Carey ist. Wenn man einmal von diesen verrückten Diva-Allüren absieht. Also: Wie schlecht ist sie?«
»Sie ist … ziemlich gut«, erwiderte Anna und gab sich Mühe, fair zu bleiben. »Außerdem wäre sie nicht allein«, fuhr sie fort. »Da wären noch drei Mädels bei ihr – wer auch immer das zu diesem Zeitpunkt sein mag.«
Phil knallte seinen Löffel auf den leeren Teller. »Darum geht es doch gar nicht, oder?«, brauste er auf und sah sie streitlustig an. »Sie tut, als sei sie bereits zwanzig, aber letztendlich ist sie immer noch mein Baby. Wenn ich mit ihr dahin fahre, dann endet das Ganze damit, dass ich selbst im Fernsehen zu sehen bin, wie ich den Juroren eine reinhaue, wenn sie sie nicht auf der Stelle gewinnen lassen. Ehrlich gesagt wäre ich da lieber der böse Daddy, der ihr das Vorsingen verbietet, als
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