Der Prinz mit den sanften Haenden
bestimmt von Anfang an gespürt. Und es brachte ihr nichts, wenn sie versuchte, sich einzureden, es sei nur Zufall, dass sie sich erneut zu einem Mann hingezogen fühlte, der nicht sie, sondern Zara begehrte.
Welcher Beweggrund mochte dahinter stecken, dass sie sich nur von solchen Männern sexuell erregt fühlte, die in Wirklichkeit ihre Schwester haben wollten? Was hatte sie dazu getrieben, die schrecklichste und erniedrigendste Erfahrung ihres Lebens zu wiederholen? Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Was mochte das sein?
Während der Saison verteilte Maddy Blake jeden Freitagabend die Aufgaben für die kommende Woche. Hauptsächlich war das für die jüngeren Kinder gedacht, denen es Spaß machte herauszufinden, worin diesmal ihre Arbeit bestand.
Damit jeder sehen konnte, wer sich wo aufhielt und was von ihm erwartet wurde, klebten auf der Aufgabentafel entsprechende Plaketten unter den jeweiligen Aufgaben. So hatte Donnelly sich einen Schmetterling ausgesucht und Clio vor fast zwanzig Jahren eine schwarz weiße Katze. Die Jungen hatten eher eine Vorliebe für Symbole der Kraft. Ben hatte den Jediritter und Jonah einen Hai.
Clio warf nur selten einen Blick auf diese Tafel, die in der Küche hing, weil sie in letzter Zeit immer die gleichen Arbeiten zu verrichten hatte.
Deshalb achtete sie auch diesmal nicht besonders auf den Plan. Samstagmorgen, als sie einen Joghurt aß, trat sie Gedankenversunken dennoch vor die Tafel, die ihr so vertraut war. Die Tafel stellte für die Kinder von klein auf eine gewisse Sicherheit dar, da selbst die, die noch nicht lesen konnten, auf der Tafel erkennen konnten, wo sich die anderen im Verlaufe des Tages aufhielten.
Auch die einzelnen Aufgaben waren durch verschiedene Symbole gekennzeichnet. So stand das Eis für Eissalon, der Pinsel für den Laden mit Kunsthandwerk, ein Segelboot für den Bootsverleih und ein kleines Haus für Kontrollgänge zu den Ferienwohnungen.
Gewöhnlich hing das kleine Haus unter Clios Katze, wie diesmal auch. Doch diese Aufgabe versah nicht einer allein, und automatisch suchte Clio nach dem zweiten kleinen Haus mit Kamin. Unter dem Jediritter fand sie nichts. Ben hatte wohl im Bootsverleih zu tun.
Wer aber würde mit ihr nach den Ferienwohnungen sehen?
Stirnrunzelnd suchte Clio die Tafel nach dem zweiten Haus ab. Und dann entdeckte sie es - unter dem Tiger.
9. KAPITEL
Er ist ein sehr wilder Tiger! dachte Clio, und ein Schauer lief ihr über die Haut. Jalal würde mit ihr die Ferien Wohnungen kontrollieren? Warum, zum Donnerwetter, hatte ihre Mutter das so arrangiert?
Nein, Jalal hat dafür gesorgt! dachte sie entsetzt und stellte den Joghurtbecher so ungeschickt ab, dass er wegrutschte, herunterfiel und der Rest über den Boden verschüttet wurde. Sie stürzte aus der Küche, rannte den Flur hinunter und aus der Haustür, die Allee entlang und über die Brücke zum Laden. Keu
chend erreichte sie das wunderschöne rote Backsteingebäude.
„Mom!" rief sie und stürmte hinein.
Trotz des stark verhangenen Himmels waren zwei Frauen mittleren Alters im Laden und betrachteten eines der vielen Bilder. Verwundert wandten sie sich nun um.
Maddy legte den Stift beiseite und schaute von ihrem Schreib tisch auf. „Was ist denn, Clio?" fragte sie gelassen. Clio dramatisierte von Natur aus gern, und ihr stürmischer Auftritt machte auf ihre Mutter weniger Eindruck als auf die Touristinnen.
Verlegen durch die Aufmerksamkeit, die die beiden Frauen ihr schenkten, hastete Clio zum Schreibtisch ihrer Mutter hinüber. „Warum soll Jalal die Ferienwohnungen mit mir kontrollieren?"
zischte sie leise.
„Warst du nicht da? Ach, nein, du warst gestern Abend weg."
Clio war auf der Geburtstagsfeier einer Freundin gewesen. Dort hatten fast alle sie verrückt gemacht mit ihrer Fragerei. Alle wollten wissen, wie das Leben mit einem Prinzen denn so wäre. Selbst auf dieser Party hatte sie ihm nicht entkommen können.
„Die Mieter von Solitaire haben angerufen, dass der Generator praktisch restlos versagt hat. Jalal hat sich heute Morgen bereit erklärt nachzusehen, ob er ihn reparieren kann."
„Was versteht Jalal von Generatoren?" fragte Clio ungläubig.
Maddy hob beide Brauen. „Offenbar schon etwas. Er hat sein Lager schließlich mit Windkraft und nicht mit Gebeten in Gang gehalten, weißt du."
„Das kann ich mir denken. Ich will ihn aber nicht mitnehmen. Kann Dad nicht mitkommen?"
„Dein Vater will heute Morgen im Bootsverleih arbeiten. Er hat Jalal
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