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Der Prinz und der Soeldner

Der Prinz und der Soeldner

Titel: Der Prinz und der Soeldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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Balkon war dann also eine unmittelbare Reaktion auf den Schock gewesen. Gregor hatte niemanden gehabt, bei dem er sich hätte abreagieren können …
    »Ist es wahr, dass er wirklich high wurde, wenn er folterte …«
    »Nicht alle Gerüchte, die über Kronprinz Serg erzählt werden, sind wahr«, fiel ihm Miles hastig ins Wort. »Obwohl der wahre Kern … schlimm genug ist. Meine Mutter weiß es. Sie war Augenzeugin von verrückten Dingen, die selbst ich nicht weiß, bei der Invasion von Escobar. Aber sie wird es dir erzählen. Frag sie direkt, dann wird sie es dir direkt erzählen.«
    »Das scheint auch in der Familie zu liegen«, räumte Gregor ein.
    »Sie wird dir erzählen, wie verschieden du von ihm bist – am Blut deiner Mutter gibt es nichts auszusetzen, ich habe nie etwas gehört –, auf jeden Fall trage ich fast so viele Gene von Yuri dem Wahnsinnigen in mir wie du, durch die eine oder andere Abstammungslinie.«
    Gregor grinste. »Gilt das als beruhigend?«
    »Mm, mehr nach der Theorie, dass Elend Gesellschaft liebt.«
    »Ich fürchte die Macht …« Gregors Stimme wurde leise, nachdenklich.
    »Du fürchtest nicht die Macht, du fürchtest es, Leute zu verletzen. Wenn du diese Macht ausübst«, folgerte Miles plötzlich.
    »Hm. Ziemlich nah getroffen.«
    »Nicht ins Schwarze?«
    »Ich fürchte, ich könnte es genießen. Das Verletzen. Wie er.«
    Er meinte Prinz Serg. Seinen Vater.
    »Quatsch«, sagte Miles. »Ich habe beobachtet, wie mein Großvater jahrelang versucht hat, dich dazu zu bringen, die Jagd zu genießen. Du wurdest gut, vermutlich, weil du gedacht hast, es sei deine Pflicht als Vor, aber du musstest dich jedes Mal fast übergeben, wenn du nur halb getroffen hattest und wir irgendein verwundetes Tier aufspüren mussten. Du magst irgendeine andere Perversion in dir haben, aber nicht Sadismus.«
    »Was ich gelesen … und gehört habe«, sagte Gregor, »ist so entsetzlich faszinierend. Ich kann nicht anders, ich muss darüber nachdenken. Ich bekomme es nicht aus dem Kopf.«
    »Dein Kopf ist voller Gräuel, weil die Welt voller Gräuel ist. Schau auf die Gräuel, die Cavilo in der Hegen-Nabe angerichtet hat.«
    »Wenn ich sie im Schlaf erdrosselt hätte – wozu ich eine Chance gehabt hatte –, dann hätte sich keiner dieser Gräuel ereignet.«
    »Wenn sich keiner dieser Gräuel ereignet hatte, dann hätte sie es nicht verdient, erdrosselt zu werden. Das ist eine Art von Zeitreiseparadoxon, fürchte ich. Der Pfeil der Gerechtigkeit fliegt nur in eine Richtung. Du kannst es nicht bereuen, sie nicht am Anfang erdrosselt zu haben. Allerdings nehme ich an, dass du es bereuen kannst, sie nicht danach erdrosselt zu haben …«
    »Nein … nein … ich werde das den Cetagandanern überlassen, falls die sie einholen, nachdem sie jetzt ihren Vorsprung hat.«
    »Gregor, es tut mir leid, aber ich glaube einfach nicht, dass ein Kaiser Gregor der Wahnsinnige möglich ist. Es sind deine Berater, die dabei sind, verrückt zu werden.«
    Gregor starrte auf den Tortenteller und seufzte. »Ich fürchte, es würde die Wachen beunruhigen, wenn ich versuchte, dir eine Sahnetorte in die Nase zu schieben.«
    »Zutiefst. Du hättest das tun sollen, als wir acht und zwölf Jahre alt waren, damals wärst du damit davongekommen. Die Sahntetorte der Gerechtigkeit fliegt nur in eine Richtung«, kicherte Miles.
    Sie erörterten dann einige ungewöhnliche und kindische Dinge, die man mit einem Tablett voller Sahnetorte anstellen könnte, und brachen dabei in Gelächter aus. Gregor brauchte mal eine gute Sahnetortenschlacht, vermutete Miles, wenn auch nur in Worten und in der Phantasie.
    Als das Gelächter endlich abebbte und der Kaffee kalt wurde, sagte Miles: »Ich weiß, bei Schmeicheleien kannst du senkrecht die Wand hochgehen, aber verdammt noch mal, du warst wirklich gut in deinem Job. Du musst das wissen, auf irgendeiner Ebene innen drin, nach den Gesprächen in Vervain. Bleib da dran, ja?«
    »Ich denke, ich werde dranbleiben.« Gregors Gabel fuhr kraftvoller in seinen letzten Bissen Nachtisch. »Und du bleibst auch bei dir dran, abgemacht?«
    »Was immer es auch sein mag. Ich werde heute Nachmittag Simon Illyan treffen, genau wegen dieses Themas«, sagte Miles. Er entschloss sich, doch auf das letzte Stück Torte zu verzichten.
    »Du klingst nicht gerade, als seist du deswegen aufgeregt.«
    »Ich nehme an, er kann mich nicht degradieren: es gibt keinen Rang unterhalb des Fähnrichs.«
    »Du gefällst ihm, was

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