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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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immer wieder um mich kreisen, und zwar wutentbrannt. Er hat mir alles erzählt!«
    Ein Zittern durchfuhr ihn. Er hob die Faust, doch seine Finger wollten sich einfach nicht fest zusammenballen.
    »Was hat er gesagt?«
    »Dass ich nur ein Zeichen bin, ein Symbol. Dass du eigentlich nicht mich schlägst, sondern dich.«
    »Ich erwürge dich! Ich breche dir das Genick wie einer Katze! Ich prügle dir dein Baby aus dem Leib!«
    »Na los!«, kreischte sie. »Tu’s, dann haben wir’s hinter uns!«
    »Du bist meine Beute! Ich kann mit dir machen, was ich will!«
    »Ich bin nicht deine Beute – ich bin deine Schande! Das hat er mir erzählt!«
    »Welche Schande denn? Was hat er gesagt?«
    »Dass du mich schlägst, weil ich mich ihm ergebe, wie du dich seinem Vater ergeben hast!«
    Sie lag noch immer mit zur Seite geschobenen Beinen am Boden. Wie herrlich sie war, sogar verzweifelt und geschlagen! Wie konnte ein Mensch so schön sein?
    »Was hat er gesagt?«, fragte er ausdruckslos.
    Er. Der Dûnyain.
    Sie hatte begonnen zu schluchzen. Irgendwie war das Messer in ihren Händen gelandet. Sie hielt es sich an die Kehle, und er konnte ihren perfekten Hals in der Klinge gespiegelt sehen. Flüchtig nahm er das Swazond auf ihrem Unterarm wahr.
    Sie wusste, was töten heißt.
    »Du bist verrückt!«, schrie sie unter Tränen. »Ich bring mich um! Ich bin nicht deine Beute! Ich gehöre ihm!«
    Serwë!
    Ihre Faust zuckte, und die Klinge drang ins Fleisch.
    Doch irgendwie hatte er ihr Handgelenk zu fassen bekommen und riss ihr das Messer aus der Hand.
    Er ließ sie weinend vor dem Pavillon des Dûnyain zurück und wanderte ziellos zwischen den Zelten und den immer größeren Mengen jubelnder Inrithi herum, wobei sein Blick auf das gleichmäßige Meneanor-Meer fixiert blieb.
    Wie unnatürlich das Meer doch ist, dachte er.
    Als Conphas Martemus entdeckte, stand die Sonne schon golden am hellblauen Abendhimmel. Mit ein paar Leibwächtern und Offizieren war der Oberbefehlshaber der Nansur zu der Anhöhe geritten, wo der verwünschte Scylvendi seinen Befehlsstand errichtet hatte. Oben fand er den General mit gekreuzten Beinen unter der schräg stehenden Standarte des Scylvendi inmitten immer weiterer Kreise toter Khirgwi sitzen. Martemus starrte in den Sonnenuntergang, als wollte er erblinden. Er hatte den Helm abgenommen, und sein kurzes Silberhaar flatterte im Wind. Ohne Helm sieht er gleich jünger und doch väterlicher aus, dachte Conphas.
    Er schickte sein Gefolge weg und saß ab. Wortlos ging er zum General, zog sein Langschwert und hackte einmal, zweimal auf die Holzstange der Swazond-Standarte ein. Es knackte, und der Wind wehte das vermaledeite Banner langsam um.
    Zufrieden stand Conphas neben seinem eigensinnigen General und starrte in den Sonnenuntergang, als wollte er sehen, welchen Unsinn Martemus dort zu erblicken glaubte.
    »Er ist nicht tot«, sagte der General.
    »Schade.«
    Martemus schwieg.
    »Erinnerst du dich noch daran«, fragte Conphas, »wie wir nach der Schlacht am Kiyuth durch Felder toter Scylvendi geritten sind?«
    Der General sah ihn kurz an und nickte.
    »Weißt du noch, was ich dir damals gesagt habe?«
    »Dass Krieg eine Sache des Intellekts ist.«
    »Bist du ein Opfer dieses Kriegs?«
    Der stämmige General runzelte die Stirn, schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf.
    »Ich fürchte doch, Martemus.«
    Der General wandte sich von der Sonne ab und musterte Conphas mit zusammengekniffenen Augen. »Das hab ich auch befürchtet, doch das ist vorbei.«
    »Ach – und warum?«
    »Weil ich gesehen habe, wie er all die Heiden hier umgebracht hat. Er hat getötet und getötet, bis sie entsetzt Reißaus nahmen.« Martemus wandte sich wieder dem Sonnenuntergang zu. »Er ist kein Mensch.«
    »So wenig wie Skeaös«, gab Conphas zurück.
    Martemus sah auf seine schwieligen Hände.
    »Ich bin ein praktischer Mann, Herr Oberbefehlshaber.«
    Conphas betrachtete die im überwirklichen Licht der sinkenden Sonne erstrahlenden Leichen: die offenen Münder und Augen und die ausgestreckten Hände, die ihn an die Pranken von Glücksaffen denken ließen. Sein Blick folgte dem Rauch, der von Anwurat heranwehte. Die Festung lag fast zum Greifen nah.
    Dann sah er wieder dorthin, wo auch sein General hinsah, und dachte beim Blick in die Sonne: Wie sehr unterscheidet sich die Schönheit, die erleuchtet, doch von der Schönheit, die erleuchtet wird.
    »Da hast du Recht, Martemus. Da hast du Recht.«
     
     
    Skauras von Nalajan

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