Der Prinz von Atrithau
aufgebracht. »Wie ein Komplott verängstigter Adliger also, die ihre Macht und ihre Privilegien schützen wollen?«
»Das hängt davon ab, wen du fragst«, entgegnete Proyas steif. »Jedenfalls mussten wir einen Bürgerkrieg abwenden. Und bisher…«
»Möge der Himmel verhüten«, stieß Achamian hervor, »dass Menschen einander um des Glaubens willen ermorden.«
»Und dass Dummköpfe an ihrer Dummheit zugrunde gehen, Mütter Fehlgeburten erleiden, Kinder sich die Augen ausstechen und überhaupt etwas Schreckliches passiert! Ich bin völlig deiner Meinung, Akka…« Er lächelte spöttisch. Unglaublich, dass er diesen gotteslästerlichen alten Mistkerl beinahe vermisst hätte!
»Doch zur Sache. Ich habe Kellhus nicht sofort verurteilt, alter Lehrer, doch vieles, sehr vieles hat mich schließlich dazu gezwungen, mich dem Votum der anderen anzuschließen. Und ob Prophet oder nicht – Anasûrimbor Kellhus ist tot.«
Achamian sah ihn ausdruckslos an. »Wer hat eigentlich gesagt, er sei ein Prophet?«
»Es reicht, Akka, wirklich… Du hast vorhin noch gesagt, er sei zu bedeutend, um zu sterben.«
»Das ist er auch! Er ist unsere einzige Hoffnung!«
Proyas fuhr sich mit der Hand über die Augen und atmete langsam und verärgert aus.
»Es geht mal wieder um die Zweite Apokalypse, was? Ist Kellhus etwa der Widergänger von Seswatha?« Er schüttelte den Kopf. »Bitte, Akka, hör auf mit diesem…«
»Er ist mehr als das!«, rief der Ordensmann mit beunruhigender Leidenschaft. »Er ist viel mehr als Seswatha, und das muss er auch sein… Der Heronspeer ist verloren. Er wurde zerstört, als die Scylvendi das alte Cenei plünderten. Sollten die Rathgeber wiederum erfolgreich sein und der Nicht-Gott erneut auftauchen…«, Achamians Augen waren vor Schreck geweitet, »… dann hat die Menschheit keine Chance mehr.«
Proyas hatte seit Kindertagen viele dieser kleinen Tiraden ertragen müssen. Was sie so unheimlich und auch so unerträglich machte, war Achamians Art zu reden: so nämlich, als würde er Tatsachen referieren, nicht Mutmaßungen anstellen. In diesem Moment blitzte die Morgensonne durch einen Spalt des sich rapide bewölkenden Himmels. Der Donner aber rollte weiter über das unglückliche Caraskand.
»Akka…«
Der Ordensmann hieß ihn mit ausgestreckter Hand schweigen. »Ihr habt mich einst gefragt, Proyas, ob ich mehr als nur Träume hätte, um meine Ängste zu rechtfertigen. Erinnert Ihr Euch?«
Nur zu gut. Es war in jener Nacht gewesen, da Achamian ihn gebeten hatte, Maithanet zu schreiben.
»Ja, durchaus.«
Unvermittelt stand Achamian auf, trat auf den Balkon und verschwand im grellen Morgenlicht, tauchte aber wenig später wieder auf und hielt etwas Dunkles in den Händen.
Zufällig verschwand die Sonne in dem Moment, da Proyas die Hand hob, um die Augen vor ihren Strahlen zu schützen.
Er starrte auf das mit Dreck und Blut verschmierte Bündel. Ein stechender Geruch erfüllte sein Gemach.
»Seht Euch das an!«, rief Achamian und fuchtelte mit dem Bündel herum. »Und dann sendet die schnellsten Reiter zu den Hohen Herren!«
Proyas schrak zurück und riss die Bettdecke an sich. Plötzlich begriff er, was er eigentlich immer gewusst hatte: Achamian würde nicht nachgeben. Natürlich nicht – er war schließlich ein Ordensmann der Mandati.
Maithanet, heiliger Tempelvorsteher – ist es dies, was du von mir zu tun verlangst?
Gewissheit im Zweifel. Das war es, was heilig war! Genau das!
»Spar dir die Begründung für später«, murmelte Proyas, schlug mit eleganter Bewegung seine Laken auf und ging nackt zum nahen Schreibtisch. Der Fußboden war unangenehm kalt, und ihn fröstelte.
Er griff nach Maithanets Schreiben und hielt es dem finster dreinschauenden Hexenmeister hin.
»Lies das«, murmelte er. Es blitzte hinter den Ruinen der Zitadelle des Hundes.
Achamian legte sein stinkendes Bündel ab und überflog das Pergament. Proyas bemerkte den Dreck unter seinen Fingernägeln. Statt erstaunt und erschrocken aufzublicken, wie der Prinz es erwartet hatte, runzelte der Hexenmeister die Stirn, sah sich das Blatt genau an und hielt es sogar ins schwindende Tageslicht. Ein Donner von draußen ließ das Gemach erzittern.
»Maithanet?«, fragte Achamian schließlich und studierte noch immer die makellose Handschrift des Tempelvorstehers. Proyas wusste, über welche Zeilen er nachdachte. Das Unmögliche hinterließ in der Seele immer die tiefsten Spuren:
Helft Drusas Achamian, obwohl er
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