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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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ein Gotteslästerer ist, denn das Heilige wird auch seine Lasterhaftigkeit ablösen…
     
    Achamian legte das Blatt auf seinen Schoß, hielt es an einer Ecke aber mit Daumen und Zeigefinger fest. Die beiden Männer sahen sich nachdenklich in die Augen… In Achamians Blick lagen Verwirrung und Erleichterung im Streit.
    »Neben meinem Schwert, meiner Rüstung und meinem Stammbaum«, sagte Proyas, »habe ich nur diesen Brief durch die Wüste getragen. Er ist das Einzige, was ich gerettet habe.«
    »Lasst nach den Hohen Herren schicken«, sagte Achamian. »Beruft den Rat ein.«
    Der goldene Morgen war dahin. Der Himmel war schwarz, und es goss in Strömen.

24. Kapitel
     
    CARASKAND
     
     
     
    Sie schlagen die Schwachen nieder und nennen es Gerechtigkeit. Sie fallen über sie her und nennen es Wiedergutmachung. Sie bellen wie Hunde und nennen es Vernunft.
     
    Ontillas: Von der menschlichen Torheit
     
     
     
    CARASKAND, VORFRÜHLING 4.112
     
    Es regnete nicht nur in Strömen, es stürmte auch dazu. Das Wasser trommelte auf Dächer und Straßen und gluckerte durch die Gossen. Es fiel auf den alten Umiaki und rann an seinen Ästen und am Stamm entlang. Bald lief es auch das Hanfseil hinunter und weiter am Bronzering entlang und suchte sich seine Wege über die tote Serwë und den halbtoten Kellhus.
    Tausende der auf dem Kaiaul Versammelten flüchteten sich ins Trockene oder schlüpften in wollene Umhänge und Mäntel. Andere jammerten, streckten flehend die Hände aus und fragten sich, was der Regen bedeuten mochte. Grelle Blitze zuckten, Wasser peitschte ihre Gesichter, und der Donner grollte Geheimnisse, die sie nicht ergründen konnten.
    Er schlief unruhig, und die Worte und Taten des Dûnyain spukten quälend durch seine Träume. Du, sagte Kellhus einmal mehr, hast noch immer das Vertrauen der Mächtigen. Serwë sank blutend in die Arme von Sarcellus. Ruf dir das Geheimnis des Kampfs in Erinnerung – denk daran!
    Regen und Flüstern ließen Cnaiür erwachen.
    Das Geheimnis des Kampfs…
    Das Vertrauen der Mächtigen.
    Als er Proyas nicht in seinem Quartier antraf, ritt er mit der gebotenen Eile zum Sapatishah-Palast auf der Knienden Höhe, wo der Prinz sich – nach Angaben seines völlig verschreckten Haushofmeisters – aufhielt. Als Cnaiür die ersten Palastbauten am Fuß der Höhe erreichte, wurde der Regen schwächer. Da und dort tauchte ein Sonnenstrahl die dunkle Stadt für kurze Zeit ins Licht. Als sein ausgezehrtes Pferd hügelan trabte, drehte er sich um und sah die Sonne durch schwarze Wolkenberge dringen. Ob auf den Hügeln, im Labyrinth des Potts oder entlang der dunklen, dunstigen Linien der Triamischen Mauern – überall strahlten Pfützen wie tausend Silbermünzen.
    Er saß im Chaos des vorderen Palasthofs ab. Ständig schienen neue Trupps bewaffneter Reiter durch die Tore zu klappern. Mit Ausnahme der Wächter aus Galeoth und einiger bis auf die Knochen abgemagerter einheimischer Sklaven trug hier jeder ein Adelswappen oder legte ein adliges Gehabe an den Tag. Cnaiür kannte viele der Männer von früheren Beratungen, doch niemand wagte ihn zu grüßen. Er folgte den Inrithi ins Foyer, wo er mit dem purpurrot gekleideten Gaidekki zusammenstieß.
    Der Pfalzgraf musterte ihn neugierig.
    »Gütiger Sejenus!«, rief er dann. »Bist du wohlauf? Hat es schon wieder Kämpfe an den Stadtmauern gegeben?«
    Cnaiür sah an sich herunter: Seine weiße Tunika war vom Hals bis fast zum Gürtel blutgetränkt.
    »Du bist ja am Hals verletzt!«, rief Gaidekki verwundert.
    »Wo ist Proyas?«, stieß Cnaiür hervor.
    »Bei den anderen Toten«, sagte der Pfalzgraf düster und wies auf die Männer, die scharenweise in den mit Wandgemälden geschmückten Ratssaal des Palasts strömten.
    Cnaiür folgte einer Gruppe aufgebrachter Thunyeri unter Führung Yalgrota Sranchammers, dessen flachsfarbene Zöpfe mit zu Stoßzähnen gebogenen Eisennägeln und heidnischen Schrumpfköpfen geschmückt waren. Einmal riss der Hüne seinen Kopf herum und sah ihn wütend an. Cnaiür erwiderte seinen Blick, und in seiner Seele brodelten Mordgedanken.
    »Ushurrutga!«, schnaubte Sranchammer, sah wieder nach vorn und grinste zum kehligen Gelächter seiner Landsleute.
    Cnaiür blickte sich zornig um. Wen er auch anschaute: Sie alle schienen seinem Blick auszuweichen.
    Sie alle!
    Irgendwo hörte er Männer vom Stamm der Utemot fast lautlos flüstern.
    Heulsuse.
    Der Gang führte zu einer Bronzetür, deren Flügel zwei mit dem Gesicht

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