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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Außenbezirke des riesigen Lagers in den Blick bekamen, das unter der Rauchglocke unzähliger Feuer lag. Sie begegneten mehreren berittenen Patrouillen, die sie vor Spähtrupps der Fanim warnten. Eine Reitereinheit aus Conriya, die von einem Verwandten des Xinemus befehligt wurde, wollte ihnen unbedingt Geleitschutz geben, doch Kellhus schickte sie weg und verlieh dem Nachdruck, indem er sie daran erinnerte, ein Prinz der Inrithi zu sein.
    Als Esmenet fragte, ob dies bei der drohenden Gefahr klug sei, meinte Kellhus nur: »Wir sind schließlich mit einem Ordensmann der Mandati unterwegs.«
    Das ist wohl wahr, dachte sie, doch all das neuerliche Gerede über die Heiden hatte sie zermürbt und ihr einmal mehr vor Augen geführt, dass der Heilige Krieg nicht losgezogen war, um gegen Abstraktionen zu kämpfen. Sie ertappte sich dabei, immer öfter nach Osten zu schauen, als rechnete sie damit, die Höhen, die sie gerade erklommen, könnten jeden Moment den Blick auf die schwelenden Überreste von Tusam freigeben.
    Wie lange hatte sie nicht mehr in ihrem Fenster in Sumna gesessen? Wie lange war sie schon unterwegs?
    Unterwegs. Die Huren in der Stadt nannten Frauen, die den Truppen folgten, Peneditari, also Wandernutten, was oft zu Pembeditari wurde, zu Kratzerinnen also, weil viele glaubten, Huren im Tross hätten diverse Geschlechtskrankheiten. Je nach Standpunkt galten die Peneditari entweder als so weltklug und daher bewundernswert wie die Kurtisanen des Hochadels oder als so beschmutzt und daher verachtenswert wie Bettelhuren, die es mit Aussätzigen trieben. Esmenet hatte entdeckt, dass die Wahrheit irgendwo dazwischen lag.
    Natürlich fühlte sie sich als Peneditari. Nie war sie so viel und so weit gewandert und hatte dabei so viele Männer befriedigt, deren Nachbilder sich noch auf ihr abmühten, wenn sie am Morgen erwachte, ihre Sachen packte und sich mit dem Gefühl auf den Weg machte, eher zu fliehen als dem Tross zu folgen.
    Und doch hatte sie Zeit gefunden, neugierig zu sein und zu lernen. Sie beobachtete den Wechsel der Landschaften, die sie durchzogen, und merkte, dass ihre Haut dunkler, ihr Bauch flacher, ihre Beine muskulöser wurden. Sie lernte genug Galeoth, um ihre Freier schockieren und entzücken zu können. Sie brachte sich Schwimmen bei, indem sie Kindern beim Spielen im Kanal zusah. Im kühlen Wasser zu sein! Zu treiben!
    Und zugleich gereinigt zu werden.
    Die Nächte aber waren immer gleich. Das Klatschen blasser Lenden, das Klammern sonnengebräunter Arme, die Drohungen, das Streiten und selbst die Witze, die sie sich mit den anderen Huren am Feuer erzählte – all das schien sie zu erdrücken und in eine Form zu pressen, die mit ihrem früheren Leben nichts zu tun hatte. Erstmals träumte sie dauernd von lüsternen und bärtigen Gesichtern.
    Und letzte Nacht hatte jemand ihren Namen gerufen. Sie war überrascht und vor allem ungläubig herumgefahren und glaubte, sich verhört zu haben. Und dann sah sie, wie Achamian sich stark betrunken mit einem brutalen Thunyeri raufte.
    Sie wollte fliehen, vermochte sich aber nicht zu bewegen, sondern konnte nur atemlos zusehen, wie der Krieger ihn zu Boden warf. Sie schrie, als der Mann mit seinem Stiefel auf ihn eintrat, konnte sich aber noch immer nicht bewegen. Erst als Achamian sich schluchzend auf die Knie quälte und ihren Namen rief, war der Bann gebrochen.
    Sie rannte zu ihm. Was blieb ihr anderes übrig? Er hatte doch nur sie – nur sie! Sie hatte erwartet, empört zu sein, doch stattdessen hatten seine Berührung, sein Geruch ihr eine fast gefährliche Verletzlichkeit abverlangt, eine Selbstaufgabe, die sie nie zuvor gekannt hatte – und die ihr gut tat. Gütiger Sejenus, wie gut sie ihr tat! Wie eine kindliche Umarmung oder der Geschmack von Pfefferfleisch nach langem Hunger. Es war, als würde sie in kühlem, reinigendem Wasser treiben.
    Keine Belastungen, nur strahlendes Sonnenlicht, sanft wiegende Äste und der Geruch von Laub und Gräsern…
    Jetzt war sie keine Peneditari mehr, sondern das, was die Galeoth eine Hustwarra nannten, also eine Begleitfrau. Endlich gehörte sie zu Drusas Achamian. Endlich war sie gereinigt.
    Ich könnte in den Tempel gehen, dachte sie.
    Esmenet hatte ihm nichts von Sarcellus erzählt, von der wahnsinnigen Nacht in Sumna und von dem, was sie im Hinblick auf Inrau vermutete. Sie befürchtete, eins dieser Themen anzusprechen, zwänge sie dazu, auch über die anderen zu reden. Stattdessen sagte sie, sie habe Sumna

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