Der Prinzessinnenmörder
er schon durch? Sehr gut.«
Wallner schenkte bedächtig eine Tasse Kaffee ein. Eigentlich wartete er darauf, dass Manfred etwas sagen würde. Manfred sagte aber nichts. Er sah Wallner beim Kaffee-Einschenken zu. Wallner schob Manfred die Tasse über die Arbeitsplatte.
»War spät gestern Nacht.«
»Mei …« Manfred fischte mit einem Finger nach dem Henkel der Tasse und zog sie langsam zu sich.
»Hat sie ein bissl viel erwischt, die Frau Wörner?«
»Wieso?«
»Na ja, weil sie … weil sie mit dem Taxi gefahren ist.«
Manfred öffnete erneut den Kühlschrank und holte die Milch heraus.
»Taxi?«
Wallner deutete in Richtung Straße. »Ihr Wagen steht noch vor dem Haus.«
»Ach so. Ja, sicher steht der noch vor dem Haus.« Manfred goss Milch in den Kaffee, ohne etwas zu verschütten. Wallner registrierte das erstaunt. Manfred wäre jetzt mit einer Erklärung dran gewesen. Aber er hüllte sich wieder in Schweigen und rührte in seinem Kaffee. Als Wallner die Küche schon verlassen wollte, wurde ihm klar, dass er mit dieser Ungewissheit nicht in den Tag gehen konnte. Er drehte in der Tür um.
»Und wieso ist das klar, dass der Wagen noch vor dem Haus steht?«
»Das Hotel ist doch nur drei Minuten zu Fuß.«
Wallner fühlte sich wie nach einem Zugunglück. Genauer gesagt wie in dem Moment, in dem der Spezialkran den Eisenbahnwaggon anhob, unter dem Wallner seit Stunden eingeklemmt war.
»Ja logisch. Das ist ja um die Ecke.« Irgendwie war Wallner mit einem Mal beschwingt ums Herz. Der Tag war jung und frisch. Das Leben konnte weitergehen. Ihm wurde klar, wie unsinnig seine Befürchtungen gewesen waren. Hatte er tatsächlich geglaubt, Manfred würde Sharon Stone ins Bett bekommen? Wallner stellte die Tasse in die Spüle und atmete tief und frei durch.
»Ich pack’s dann. Wird ein harter Tag heut.«
Manfred lächelte seinem Enkel zu und hob wie zum Gruße die Kaffeetasse. Wallner war, als sei etwas Maliziöses in Manfreds Lächeln gewesen. Er konnte nicht sagen, was es war. Aber irgendwas war. Er beschloss, nicht weiter drüber nachzudenken. In den letzten Stunden hatten schon zu viele Gespinste sein Gehirn blockiert. Als Wallner aus der Küche trat, hörte er ein Geräusch. Er brauchte eine Weile, bis er das Geräusch erkannte. Womöglich identifizierte sein Verstand das Geräusch schon weit eher. Doch sein Bauch weigerte sich, es zu bestätigen. Das Geräusch kam aus dem ersten Stock und wurde eindeutig von einer Dusche verursacht.
»Ins Bad kannst jetzt nicht«, hörte er Manfred von hinten aus der Küche krähen. Der Eisenbahnwaggon senkte sich wieder auf Wallners Brust.
»Ich denk, die ist ins Hotel?«
»Ja. Zahnbürst’n holen und Schminksachen und so. Weißt ja, wie Frauen sind.«
Wallner starrte seinen Großvater an. Manfred kam mit schlappendem Gang aus der Küche. Die inzwischen leere Kaffeetasse baumelte an Manfreds Mittelfinger, den er durch den Henkel gesteckt hatte.
»Du hast nicht mit der …« Wallner merkte, dass er anfing zu stammeln. »Du hast tatsächlich … ich mein – so richtig …?«
Manfred legte seine freie Hand auf Wallners Schulter und blickte nach oben zu dem Rauschen der Dusche.
»Wennst sie haben magst – ist kein Problem. Ich muss ja net übertreiben in meinem Alter. Ich überlass sie dir gern.«
»Oh, danke. Sehr …«, Wallner suchte nach einem halbwegs passenden Wort, »… nett von dir. Aber ich denke …«
»Du, ohne Schmarrn. Ich lad die für heut Abend wieder ein. Dann zieh ich mich dezent zurück. Und dann bist du dran. Ha?!«
Manfred boxte Wallner in den Bauch. Auch sein Leberhaken hatte über Nacht erstaunlich an Härte gewonnen. Wallner lachte und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass er keine Luft bekam.
»Du, ich muss jetzt. Bis heut Abend dann.«
»Was is jetzt mit ihr da oben? Soll ich sie einladen?«
»Manfred – bitte!«
»Musst du wissen! Wer nicht will, der hat schon.« Manfred schlurfte zufrieden lächelnd in die Küche zurück.
Wallner hörte sehr leise den Klingelton seines Handys. Er überlegte einen Augenblick, wo er das Handy am Vorabend gelassen hatte, und kam zu dem Schluss, dass es noch in der Daunenjacke stecken musste. Daher auch der gedämpfte Ton. Als Wallner endlich an der Garderobe war und das Handy aus der Jacke gefummelt hatte, war es zu spät. Er hörte seine Box ab. Frau Mikulai aus Dortmund hatte Wallners Bitte um Rückruf entsprochen.
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31 . Kapitel
W allner rief Frau Mikulai nicht
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