Der Prinzessinnenmörder
Personal für Straßenkontrollen im Landkreis abzustellen. In den Tagen nach den ersten beiden Morden hatte es bereits Straßenkontrollen gegeben. Sie waren jedoch ohne Ergebnis geblieben. Denn man wusste im Grunde nicht, wonach man suchen sollte. Der Fall lag jetzt anders. Man hatte eine Liste mit sechs Namen. Dennoch wollte man in Rosenheim keine Beamten für Straßenkontrollen abstellen. Mit den Kollegen der Tiroler Polizei war seit längerem verabredet worden, in dieser Woche Lkw-Kontrollen durchzuführen. Wallner hätte besondere Dringlichkeit nachweisen müssen, um die Prioritäten zu ändern. Das aber konnte Wallner nicht. Es gab keinen konkreten Hinweis, dass der Mörder in nächster Zeit wieder zuschlagen würde, noch, dass er sich überhaupt im Landkreis Miesbach aufhielt. Der letzte Mord, den man dem Gesuchten zurechnen konnte, hatte sich in Dortmund ereignet, siebenhundert Kilometer entfernt.
Wallner blieb nur die Hoffnung, dass weitere Erkenntnisse die Kollegen in Rosenheim umstimmen würden. Der SoKo-Raum war auch heute wieder erfüllt von emsiger Betriebsamkeit. Alle Personaldaten von Unfallopfern, die Mike aus Österreich geschickt hatte, wurden mit der großen Aplerbeck-Liste abgeglichen. Eine spezielle Arbeitsgruppe war darauf angesetzt, die Angehörigen der Unfallopfer anzurufen und nach den näheren Umständen der Todesfälle zu befragen. Vielleicht gab es da irgendetwas Auffälliges oder jemand wusste von jemand anderem aus dem Umfeld des Opfers, der in Dortmund in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert worden war. Es war eine Sisyphus-Arbeit, die bis jetzt keine Ergebnisse gezeitigt hatte.
Zwischen zwei Streifenfahrten legte Kreuthner einen Stopp bei der SoKo ein, um sich auf den aktuellen Stand der Ermittlungen zu bringen. Schließlich sollte er in wenigen Tagen nach dem Eisstockschießen darüber referieren. Kreuthner durchschritt, die Hände auf dem Rücken gekreuzt und mit Schartauer, einem Adjutanten nicht unähnlich, im Gefolge, den SoKo-Raum, grüßte diesen und jenen, erkundigte sich nach dem persönlichen Befinden und dem Erfolg der Ermittlungsarbeit, die dem jeweiligen Gesprächspartner zugeteilt war, und ging damit eigentlich jedem auf die Eier. Als er Wallner sah, trat er sofort auf ihn zu und schwenkte seine rechte Hand mit ausladender Geste durch den Raum.
»Da hab ich ja was ins Rollen gebracht, wie?«
Wallner verstand erst nicht recht, was Kreuthner meinte. Dann aber kam ihm zu Bewusstsein, dass Kreuthner ja die erste Leiche entdeckt hatte. »Jaja. Da haben Sie uns was eingebrockt«, scherzte Wallner und hoffte, dass Kreuthner sich verabschieden würde. Kreuthner war weit davon entfernt, sich zu verabschieden. Er deutete auf Schartauer.
»Das ist der Kollege Schartauer. Guter Mann. Also – noch jung. Aber gut. Hat mir sehr bei meinen Ermittlungen geholfen.«
»Ermittlungen?«, fragte Wallner etwas konsterniert.
»Ihr Jungs macht’s es hier drin, und wir machen halt da draußen unseren Job. Mir ham immer die Augen auf. Oder, Beni?«
Schartauer nickte. Ja, die Augen habe man ständig auf.
»Wie wär’s mit Straßenkontrollen?«, schlug Kreuthner vor.
»Schwierig. Ist aber beantragt. Tja dann …« Wallner lächelte und hoffte, Kreuthner würde das als Verabschiedung verstehen. Doch Kreuthner hatte gerade ein Blatt Papier entdeckt, das auf dem Schreibtisch lag, neben dem sie standen. Es war die Liste mit den sechs Namen aus Unna.
»Was ist das? Kenn ich noch gar net.«
»Nichts wirklich Konkretes. Wir wollten es heute rausgeben. Wenn euch einer von denen zufällig über den Weg läuft – bitte festhalten und sofort melden.«
Kreuthner inspizierte die Liste. Dann gab er das Papier Schartauer, ohne ihn anzusehen.
»Fällt dir was auf?«
Schartauer las die Liste mit Sorgfalt. Dies eine Mal wollte er sich nicht blamieren. Schon gar nicht vor dem die Ermittlungen leitenden Hauptkommissar. Ein Name kam Schartauer bekannt vor.
»Rathberg?«
Kreuthner nahm die Liste wieder an sich, ohne den Blick von Wallner zu wenden.
»Mhm«, sagte Kreuthner. Kreuthners Antwort mochten die Vokale fehlen. Doch sonst war sie reich an Bedeutungsnuancen.
»Rathberg«, sagte Kreuthner.
»Rathberg?« Wallner wusste, dass man bei Kreuthner immer auf Überraschungen gefasst sein musste. Er wurde leicht unterschätzt.
»Rathberg.« Kreuthner lächelte melancholisch und schüttelte den Kopf in Fassungslosigkeit.
»Geht’s ein bissl präziser?«
»Wir haben den Mann gestern
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