Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
andere? Leider ist sie immer noch dieselbe alte Krematoriumsvorsteherin wie damals, und deswegen spielt es auch keine Rolle, wie sie heißt. Zuletzt sah ich sie übrigens bei einem Verlagsfest des Albert Bonniers Förlag, und es kann kaum ein Zufall gewesen sein, dass sie sich dort halblaut mit jenem schwedischen Autor unterhielt, der sich dadurch auszeichnet, dass er Selbstbräunungscreme verwendet.
Worüber sie sich unterhielten, weiß ich nicht. Das ist mir auch egal. Mir fiel jedoch auf, dass sie beide ihre Köpfe zur Seite geneigt hielten. In der Tat in dieselbe Richtung, aber da sie sich gegenüberstanden, wie man das normalerweise tut, wenn man sich mit jemandem unterhält, sah das ein bisschen unheimlich aus. So stelle ich mir nicht das Leseerlebnis vor, das meinem Leben Inhalt und Sinn schenken kann.
Stattdessen wandern meine Gedanken fünfzig Jahre zurück, von der großen Villa auf Djurgården zur höheren Schule in der Roslagsgatan, wo ich mich mit Studienrätin Sillkvist über das Ikarus-Gedicht von Erik Lindegren zanke. Ich sage, dass ich ihre Worte gehört hätte. Dass ich trotzdem der Meinung sei, dass es mehr von mir – oder jemandem wie mir – handelt als von Ikarus, der schließlich einen Vater besessen habe, der ein berühmter Künstler und Architekt gewesen sei.
Das müsse sie doch wohl verstehen? Wenn man bedenkt, wie sie sich kleidet, wenn man bedenkt, für wen sie sich ausgibt, dann müsste sie das doch besser verstehen als andere Lehrer, die ich gehabt habe. Letzteres sage ich allerdings nicht. Das denke ich nur.
Ich unternehme noch einen Versuch. Erzählen Sie mir, Frau Studienrätin, warum ich immer noch darauf beharre, dass dieses Gedicht mehr von Leuten wie mir als von Leuten wie Ikarus handelt. Erzählen Sie mir, warum Leute wie ich darauf beharren, auf die Sonne zuzufliegen, obwohl wir dort eigentlich nichts zu suchen haben. Erzählen Sie mir das.
40.
Meine erste große Liebe
Mit der großen Liebe verhält es sich in einer Hinsicht sehr einfach. Die Lust und Sehnsucht, die sie dir geschenkt hat, musst du am Jüngsten Tag mit ebenso viel Trauer und Verlust zurückzahlen.
Dass die Liebe den Tod besiegt, ist ebenfalls nicht wahr. Der Tod gewinnt immer die letzte Runde, und willst du ihn überlisten, musst du deiner Geliebten in dem Augenblick folgen, in dem sie dich verlässt. Wenn du dem Tod dazwischen nur eine Minute Zeit lässt, dann wird er seinen vollen Tribut zurückfordern.
Eines Tages werde ich den großen Roman über die irdische Liebe schreiben, aber noch bin ich für diesen Auftrag nicht reif. Obwohl ich mehr über die Liebe nachgedacht habe als über irgendetwas anderes, habe ich immer noch nicht verstanden, was damals vor fast fünfzig Jahren beim ersten Mal mit mir geschah.
Wie ausgerechnet sie mein Herz auf eine Weise berühren konnte wie nichts und niemand vor ihr. Und noch seltsamer, wie mich andere Frauen viel später im Leben ebenso stark beeinflussen konnten.
Nicht vielen ist das gelungen, aber doch mehr als einer, und in diesem Sinne kommt es mir vor, als könne sich die große Liebe jedenfalls selbst überwinden.
Aber noch bin ich nicht bereit. Ich muss stattdessen über anderes sprechen. Über Dinge, über die es sich leichter spricht, die jedoch schwierigen Dingen nicht allzu fern sind. Über mein Frauenbild beispielsweise. Darüber kann ich sprechen. Wie ich zu diesem Frauenbild gelangt bin, das mich mein Leben lang begleitet hat. Ich habe nämlich viele Frauen getroffen, aber nur wenige haben dauerhafte Spuren in meiner Seele hinterlassen.
Als ich ein kleiner Junge war, gab es mehrere Frauen in meinem Umfeld, die äußerlich dem Bild der Urmutter entsprachen. Ich lernte schon früh gewisse Tricks. War ich richtig bockig und schwierig, so endete das doch meist damit, dass ich mich auf dem Schoß einer dieser Urmütter wiederfand, das flachsblonde Haar an einen weichen Busen gelehnt und eine frisch gebackene Zimtschnecke in der Hand.
Die Ausnahme ist meine eigene Mutter. Sie ist oft krank, und körperliche Berührung scheint ihr eher unangenehm zu sein. Aber das fällt nicht so sehr ins Gewicht, denn in meiner Kindheit gibt es andere Frauen, die sie in dieser Hinsicht ersetzen. Meine geliebte Großmutter, Tanten und ältere Cousinen. Ich leide wirklich keine Not.
Das Frauenbild des erwachsenen Mannes wird früh geprägt. Für Männer, die in den 1940er Jahren zur Welt kommen, und insbesondere für uns Jungen aus der Arbeiterklasse hat diese Prägung
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