Der Professor
Antwort. Sie seufzte und wusste, dass sie beide schleunigst reagieren mussten, da sie sich bei ihren nächsten Schritten von diesen Beiträgen leiten lassen wollten.
Stand den Subscribern der Sinn nach mehr? Wollten sie, dass es zum Ende kam? Verloren sie das Interesse an Nummer
4
? Oder hielt die Faszination an
?
Sie sagte voraus, dass für Nummer 4 das Ende näher rückte, auch wenn sie nicht vollkommen sicher war. Nummer 4 war bei weitem die faszinierendste Zielperson gewesen, falls ihr Bankkonto und die Zahl der Menschen, die sich von ihrer Geschichte hatten fesseln lassen, als Gradmesser gelten konnten. Linda fühlte einen Anflug des Bedauerns.
Sie hasste es, wenn etwas zu einem Abschluss kam. Schon als Kind hatte sie Geburtstage, Weihnachten, Sommerferien gehasst – nicht weil sie das, was sie bei diesen Gelegenheiten unternahm oder geschenkt bekam, enttäuschte, sondern weil sie wusste, dass jeder Spaß und jede Aufregung, die damit verbunden waren, zu einem Ende kommen mussten. Bei mehr als einer Gelegenheit hatte sie als Kind auf einer harten Kirchenbank gesessen und einem Priester zugehört, der über einem Sarg ein leeres Palaver über das ewige Leben von sich gab. Ihre Mutter. Ihre Großeltern. Schließlich ihr Vater, der sie frierend und allein in der Welt zurückließ, bis Michael in ihr Leben trat. Wenn sie irgendetwas hasste, dann das Ende.
Die Rückkehr in die Normalität fand sie enttäuschend. Selbst wenn Normalität bedeutete, einen kalten Drink in der Hand und einen Haufen Geld auf der Bank, an einem exklusiven Badestrand zu liegen, konnte sie nicht sagen, dass sie sich darauf freute. Irgendwie konnte sie es schon jetzt kaum abwarten, Serie Nummer 5 zu planen.
Sie lehnte sich zurück und dachte, während sie immer noch auf die Bildschirme blickte, in Wahrheit daran, wer wohl ihre nächste Zielperson würde. Nummer 5 musste anders sein. Nummer 4 hatte die Messlatte hoch gelegt, räumte sie ein, und so musste ihre nächste Serie das, was sie in den letzten Wochen geleistet hatten, übertreffen. Sie war ausgesprochen stolz auf ihren Erfolg.
Sie
hatte darauf bestanden, von den Prostituierten wegzukommen, die sie für die ersten drei Serien herangezogen hatten, um zu einem vollkommen unschuldigen und bedeutend jüngeren Mädchen überzugehen. Ein
unerfahrenes, unverbrauchtes
Mädchen, darauf hatte sie bestanden.
Außerdem nach dem Zufallsprinzip ausgesucht. Ganz und gar nach dem Zufallsprinzip. Sie waren stundenlang jeweils in gestohlenen Autos durch ruhige Vorstadtgegenden gefahren, hatten sich an Schulen und Einkaufszentren vorbeigeschlichen, an Pizzalokalen herumgelungert, um die richtige Person zu finden, die sie zum richtigen Zeitpunkt entführen konnten. Es war riskant gewesen – doch sie hatte gewusst, dass es sich auszahlen würde.
Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hatte Michael bestimmt, dass Serie Nummer 4 der schlimmste aller gutbürgerlichen Albträume werden sollte. Er hatte daran geglaubt, dass das Überraschungsmoment das Drama anheizen würde. Und er hatte recht behalten. Ihre Idee. Seine raffinierte Umsetzung. Sie waren die perfekten Partner. Sie merkte, wie ihr die Begierde aufstieg; sie hob die Hand und streichelte sich langsam die eigene Brust.
Hinter sich hörte sie das vertraute Schlurfen aus dem Badezimmer. Sie wandte sich rasch von den Computern ab, löste ihre Haare und schüttelte sie verführerisch aus. Rasch streifte sie die restlichen Sachen herunter.
Als Michael in den Raum trat, warf sie sich kichernd aufs Bett. Sie drehte sich zu ihm um und lockte ihn mit dem gekrümmten Finger, näher zu kommen. Er lächelte und gesellte sich nur allzu gerne zu ihr.
Linda wusste, dass das, was Michael mit Nummer 4 getan hatte, ein unverzichtbarer Teil des Projekts war. Sie legte den größten Wert darauf, dass er nie etwas anderes darin sah als eine Pflicht, die er ihr zuliebe absolvierte. Keine Lust. Keine Erregung. Keine Leidenschaft. Die gehörten ihr.
Das war wichtig, dachte sie, während sie die Arme ausstreckte. Mit jedem Muskel ihres Körpers wollte sie Arme und Beine um ihn schlingen und ihn besitzen, so tief sie konnte, ihn wie eine große, mächtige Woge am Strand vollkommen mit sich bedecken. Sie musste dafür sorgen, dass er nichts weiter fühlte, nichts weiter roch und nichts weiter hörte als ihre Liebkosungen und ihren Herzschlag.
»Also wirklich«, sagte Michael, als sie ihn zu sich herunterzog. Er brach in ein Grinsen aus. »Also, ich muss schon
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