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Der Professor

Titel: Der Professor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nicht«, fuhr Brian fort. Er klang eindringlich und bestimmt.
    Adrian warf einen kurzen Seitenblick in seine Richtung. Sein Bruder saß neben ihm auf dem Sofa. Der junge Vietnamsoldat war dem New Yorker Firmenanwalt im mittleren Alter gewichen. Sein hellbraunes Haar war ein wenig dünner und hatte die ersten distinguierten grauen Strähnen in den Locken, die ihm über die Ohren und den Hemdkragen fielen. Brian hatte immer langes Haar getragen – nicht diesen Ex-Hippie-Pferdeschwanz, sondern eine etwas zerzauste Anti-Establishment-Frisur. Dazu trug er einen teuren blauen Nadelstreifenanzug und ein maßgeschneidertes Hemd, wenn er auch die Krawatte gelockert hatte.
    Brian lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »Nee. Diesen abgewandten Blick hab ich einfach schon zu oft gesehen, meistens, wenn dein Klient dich belügen will, aber zunächst noch Gewissensbisse hat. Im Moment denkt sie, dass das, wofür sie es bis jetzt gehalten hat – du weißt schon, ein Teenager, der von zu Hause ausgebüxt ist –,
möglicherweise
eine Nummer größer sein könnte. Aber sie ist sich keineswegs sicher, und sie möchte unbedingt das Richtige tun, weil ein Fehler sie diese nächste Gehaltserhöhung kosten könnte.«
    Brian sprach in einem angenehmen Singsang, als handelte es sich bei seiner Einschätzung von Detective Collins um eins der Gedichte, die Adrian so sehr liebte. »Weißt du was, Audie?«, fuhr er fort. »Das wird kompliziert.«
    »Was soll ich als Nächstes tun?«, wisperte Adrian. Er schärfte sich ein, nicht den Kopf zu wenden, tat es aber doch, nur ein bisschen, weil er das Gesicht seines Bruders sehen wollte.
    »Wie bitte?«, sagte Terri und sah zu ihm auf, so dass sie den Seitenblick mitbekam.
    »Ach, nichts«, antwortete Adrian. »Hab nur laut gedacht.« Die Ermittlerin sah ihn weiter eindringlich an, bis es ihm unbehaglich wurde. Weder die Mutter noch der Freund hatten den kurzen Austausch mitbekommen. Sie waren zu sehr in ihren eigenen Albtraum vertieft, um sich darauf einzulassen.
    »Sie ist scharfsinnig«, sagte Brian, und es schwang ein wenig Bewunderung mit. »Ich glaube, sie weiß, was sie tut, sie weiß im Moment nur noch nicht, was sie tun
soll
. Noch nicht. Du musst es ihr erklären, Audie. Die Mutter und dieser schleimige Freund – die zählen nicht. Kein bisschen. Aber diese Ermittlerin, die schon. Vergiss das nicht.«
    Adrian nickte, auch wenn er keine Ahnung hatte, was er, abgesehen von einer genauen Wiedergabe seiner Beobachtungen, auf die
     sie sich ihren eigenen Reim machen musste, noch sagen sollte.
    »Jetzt wird sie dir eine Reihe präziser Fragen stellen«, flüsterte ihm Brian ins Ohr. »Sie braucht noch mehr Informationen, um mit ihrem Chef zu sprechen. Und sie fühlt dir auf den Zahn. Sie will wissen, wie glaubhaft du als Zeuge bist.«
    »Professor Thomas«, fragte Terri, »oder ist Ihnen
Doktor
lieber …«
    »Das spielt keine Rolle.«
    »Sie haben einen Doktorgrad in Psychologie, nicht wahr?«
    »Ja, aber ich bin kein Therapeut wie Dr. West. Ich hatte es mehr mit dem Rattenlabyrinth. Ich war so was wie ein Labor-Fachidiot …«
    Sie lächelte, als hätte die Bemerkung die Spannung im Raum entschärft, was nicht der Fall war.
    »Verstehe. Ich würde mir gern über ein paar Dinge Klarheit verschaffen. Sie haben nicht mit angesehen, wie Jennifer tatsächlich gegen ihren Willen in den Transporter gezwungen wurde, oder?«
    »Nein.«
    »Sie haben nicht gesehen, wie sie jemand gepackt, geschlagen oder ihr sonst irgendwie Gewalt angetan hat?«
    »Nein. Nur dass sie eben noch da und im nächsten Moment verschwunden war. Von der Stelle aus, an der ich saß, konnte ich nicht genau sehen, was mit ihr passierte.«
    »Haben Sie einen Schrei gehört? Oder vielleicht Geräusche von einem Handgemenge?«
    »Nein, tut mir leid.«
    »Wenn sie also in diesem Lieferwagen landete, könnte es auch aus freien Stücken gewesen sein?«
    »So hat es aber nicht ausgesehen, Detective.«
    »Und Sie glauben nicht, dass Sie die Fahrerin oder den Beifahrer wiedererkennen würden?«
    »Schwer zu sagen. Ich hab sie nur im Profil gesehen. Und selbst da nur ein paar Sekunden. Es war in der Dämmerung, schon fast dunkel.«
    »Nein, Audie, das stimmt nicht. Du hast genug gesehen. Ich denke, wenn du sie findest, erkennst du sie auch wieder.« Audie wollte sich gerade zu seinem Bruder umdrehen und ihm widersprechen, doch in der Hoffnung, dass die Polizistin die kleine Bewegung nicht mitbekommen hatte, hielt er

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